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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Zahlung einer Abgabe in Geld, und das Geld wird dann wieder, durch den<br />

Kauf eines Fernsehkanals, zu einer größeren Massenwirksamkeit der<br />

Versprechungen. Diese Umwandlung ermöglicht eine Verbindung religiöser<br />

Güter mit anderen Gütern bzw. Zeichen, die gesellschaftlich höher<br />

bewertet werden. Zum Beispiel kauft eine religiöse Gruppierung wie die<br />

„Vereinigungskirche“ (Sun Myung Mun) Fernsehsender, gründet Tageszeitungen<br />

und erhöht die Überzeugungskraft ihrer Botschaft durch das Vorzeigen<br />

von Prominenten; andere missionieren einfach, um ihr quantitatives<br />

Gewicht zu erhöhen.<br />

Die Akkumulation religiösen Kapitals kann man nicht hinreichend<br />

erfassen, wenn man absieht von der spezifischen kognitiv, affektiv und<br />

leiblich vermittelten Kompetenz religiöser <strong>Praxis</strong>systeme zur Interpretations-<br />

und Handlungsanleitung. Diese kommt darin zum Ausdruck, wie<br />

geeignet oder ungeeignet religiöse Praxen sind, beherrschende Krisenerfahrungen<br />

durch die Strukturierung entsprechender Deutungsmuster<br />

und Praktiken kognitiv, affektiv (und oft auch leiblich, etwa durch Wunderheilungen)<br />

zu bewältigen. Erst durch diese Kompetenz erlangen religiöse<br />

<strong>Praxis</strong>formen die „Macht, die Repräsentationen und Praktiken der Laien<br />

durch das Aufprägen religiöser Habitus dauerhaft zu modifizieren“. 84<br />

Relevante religiöse Deutungskapazität ist das Kapital religiöser Gemeinschaften.<br />

Insofern kann man zwar mit Bourdieu (Power 117) sagen, dass die<br />

Macht religiöser Systeme weder in ihrer unmittelbar wirksamen illokutionären<br />

Kraft liegt (nämlich jemanden über etwas zu informieren, was ihn zum<br />

Beispiel „unbedingt angeht“), noch in einer besonderen performativen<br />

Kraft religiöser Rede (die besser als andere Arten der Rede von sich aus im<br />

Stande wäre, „Nichtseiendes ins Sein zu rufen“); sondern dass die Macht<br />

religiöser Systeme vielmehr in der Anerkennung ihrer Repräsentanten seitens<br />

einer möglichst großen und illustren Schar von Anhängern begründet ist.<br />

Aber man sollte zugleich darauf verweisen, dass diese Anerkennung in<br />

einem hohen Maße auch davon abhängt, ob bzw. in wie weit die religiösen<br />

Deutungen die Erfahrungen der Akteure hinreichend kohärent zu ordnen<br />

in der Lage sind, um Kontingenz aufzuheben, Komplexität zu reduzieren<br />

und, vor allem, eine dauerhaft wirksame praktische Logik als Grundlage<br />

sowohl religiöser wie auch nicht-religiöser Wahrnehmung, Klassifizierung,<br />

Bewertung und handelnder Konstruktion der „vorletzten“ und der „letzten<br />

Dinge“ zu installieren.<br />

84 Bourdieu: Génese 318 f. (eigene Übersetzung).<br />

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