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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Prozess als solchen); sei es, dass die Akteure selbst ihre Hervorbringungen deuten,<br />

sei es, dass Dritte dies tun. Und schon diese Deutung ist wiederum <strong>Praxis</strong>, insofern<br />

sie in den Handlungsrelationen der Deutenden Wirkungen erzeugt. Ohne<br />

diese Wirkungen ist auch die Deutung weder zu vollziehen noch zu begreifen.<br />

Somit kann man nicht einfach auf ein fertiges Produkt der Deutung „schauen“.<br />

Diese Forderung Schütz‘ lässt sich allenfalls verstehen als das Resultat der subjektivistischen<br />

Engführung des phänomenologischen Ansatzes, die die Entstehung<br />

des subjektiven Sinnzusammenhanges nur als das Resultat der setzenden Akte des<br />

freien Subjekts auffasst und sie nicht als Ergebnis des Zusammenwirkens von<br />

objektiven Strukturen und deren subjektiver Aneignung begreift.<br />

Wenn man den objektiven Sinn von Praktiken und Zeichen verstehen möchte,<br />

sollte man den Prozess und die Bedingungen der Entstehung des opus operatum<br />

genau in den Blick nehmen: den modus operandi (Bourdieu) des gesamten Systems<br />

der jeweiligen <strong>Praxis</strong>, und somit auch den Zeitfaktor. Versteht man die Produktion<br />

von subjektiv stimmigen Symbolsystemen, Praktiken und Institutionen als Ergebnis<br />

der Aneignung objektiver gesellschaftlicher Schemata und des Einsatzes<br />

kreativer, situationsorientierter Strategien, so lässt sich die Analyse solcher Praxen<br />

weder von ihren objektiven Entstehungsbedingungen noch von ihrer subjektiven<br />

Produktion trennen. Sowohl die gesellschaftlichen Strukturen als auch die individuelle<br />

Arbeit sind konstitutiv für ihren Sinn. 79 Für die ex post Beobachtenden, die<br />

den subjektiven Sinn eines Zeichens, einer Handlung oder auch einer Institution<br />

(in die der jeweilige Akteur eingebunden ist) zu bestimmen suchen, nimmt dieser<br />

streng genommen wiederum die Struktur einer Bedeutung an, insofern er nämlich<br />

über die subjektive Sinnganzheit hinweg eine Funktion im objektiven gesellschaftlichen<br />

Gefüge erfüllt und auf diese hin durch die Beobachter zu interpretieren<br />

ist. Diese Verortung des subjektiven Sinnes im gesellschaftlichen Ganzen kann<br />

objektiven Sinn erschließen – wenn auch immer nur ansatzweise und niemals<br />

vollständig –, indem sie die Entsprechungen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen<br />

Bedeutungsebenen des subjektiven Sinnganzen erschließt. Anders<br />

gesagt: die Analyse erschließt die Homologien, die sich zwischen den verschiedenen<br />

objektiven und subjektiv wahrgenommenen Feldern gesellschaftlichen Daseins<br />

und zwischen Praktiken und Zeichen nachweisen lassen. So können etwa<br />

materielle Güter im System der gesellschaftlichen Unterschiede zu distinktiven<br />

Zeichen werden. (Bourdieu: Unterschiede 754) Sie zeigen etwa den sozialen Status<br />

an und bewirken ein bestimmtes Handeln der sie Zeigenden und der sie Wahrnehmenden.<br />

Sie sind aber nur insofern Zeichen, als mindestens die Wahrnehmenden,<br />

aber für gewöhnlich auch die „Zeigenden“ (Schütz), über entsprechende (aus<br />

der Erfahrung der gesellschaftlichen Unterschiede, ihrer Bestätigung gemäß der<br />

79 Habermas formuliert im Blick auf das Verstehen von Handlungen: „Der objektive<br />

Zusammenhang, aus dem Handlungen allein begriffen werden können, konstituiert sich<br />

aus Sprache, Arbeit und Herrschaft zumal.“ Habermas: Logik 309.<br />

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