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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Wörter, die die Substanzen bezeichnen. Und so gleitet das Denken in<br />

Substanzen, wie Bourdieu bemerkt, „in Wittgensteins Sicht, umstandslos<br />

vom Substantiv zur Substanz, von der Konstanz des Substantivs zur<br />

Konstanz der Substanz über...“ (Bourdieu: Unterschiede 46). Damit werden<br />

dann freilich bei der Suche nach Erklärung für Handeln und Denken, die<br />

„Merkmale der sozialen Akteure – Beruf, Alter, Geschlecht, Schulabschluß<br />

– als von der Relation, innerhalb deren sie ‚wirken‘, unabhängige Kräfte<br />

behandelt“ (ebd.). Macht etwa wird von der Sprache als Substanz dargestellt<br />

und meist auch so behandelt. Man versucht zum Beispiel zu lokalisieren,<br />

welcher Person oder Gruppe (ebenfalls wieder als Substanzen<br />

gedacht, so dass Macht auf diese Weise zum Akzidenz wird) Macht zukommt.<br />

Macht wird dann der entsprechenden Gruppe oder dem entsprechenden<br />

Individuum als „Wesensmerkmal“ zugeschrieben.<br />

Der substanzialistisch denkende Objektivismus legt dabei das Gewicht<br />

eher auf die über-individuellen Substanzen: „Durch Verdinglichung der<br />

Abstraktionen ... behandelt er seine Konstruktionen ‚Kultur‘, ‚Strukturen‘,<br />

‚gesellschaftliche Klassen‘ oder ‚Produktionsweisen‘ als Realitäten, die auf<br />

die Gesellschaft wirken und die Praktiken direkt beherrschen können; oder<br />

aber er personifiziert Kollektive ... und macht aus ihnen für geschichtliches<br />

Handeln zuständige Subjekte (mit Sätzen wie: ‚Die Bourgeoisie will...‘ ...).“<br />

(Bourdieu: Sinn 71) Einer bestimmten Religion, Konfession, Kultur oder<br />

Klasse kommen nach dieser Ansicht deskriptiv erfassbare Wesensmerkmale<br />

zu. Diese sind aus der unmittelbaren Anschauung und Bezeichnung<br />

abgeleitet und somit aus dem Hinübergleiten von Substantiv zur Substanz<br />

gewonnen; und ihre An- oder Abwesenheit entscheidet über die „Identität“<br />

einer Religion, einer Kultur etc. Man macht dann Aussagen wie: ‚Das<br />

Wesen des Luthertums ist...‘<br />

Bei fast allen von Falk Wagner analysierten Theologen, bei Wagner<br />

selbst und bei den oben untersuchten phänomenologischen Autoren ist nie<br />

klar, ob von Individuen oder Gruppen die Rede ist. Man redet vom Individuum,<br />

meint aber eine Gesamtheit; oder man behandelt Kollektive, als<br />

seien sie eine geschlossene Größe. Indem die Kollektive als Individuen aufgefasst<br />

werden, verliert man gerade den Beitrag der Individuen zur Konstitution<br />

von Kollektiven aus dem Blick, und der tatsächliche Bewusstseinsstand<br />

der Mitglieder einer Gruppe oder Religion bleibt nicht Gegenstand<br />

der Analyse; mehr noch: Man dispensiert sich sogar von der Analyse<br />

der kollektiven Bedingungen des individuellen Bewusstseins, „im besonderen<br />

auch jener, die den objektiven wie subjektiven Homogenitätsgrad der<br />

jeweiligen Gruppe und den Bewußtseinsstand ihrer Mitglieder determinie-<br />

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