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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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eigene) soll objektiv und universal gültig begründet werden. Will heißen:<br />

ihre Wahrheit soll für alle gelten, unabhängig von Kultur und gesellschaftlichem<br />

Kontext. Wagners Buch hat deutlich gezeigt, dass dies ein illusionäres<br />

Unternehmen ist. Es verbindet sich vor allem mit der Verkennung von<br />

Sprache.<br />

Von einer Verkennung der Sprache kann man jedenfalls dann reden,<br />

wenn man mit Kant, Humboldt oder Sapir und Whorff, davon ausgeht,<br />

dass es im weitesten Sinne die Sprache ist, die das Verhältnis von Denken<br />

und äußerer Wirklichkeit strukturiert.<br />

Aus meiner Sicht verkennen alle genannten Ansätze die Endlichkeit,<br />

Geschichtlichkeit und Sozialität von Sprache; genauer: die Tatsache, dass<br />

Sprache in <strong>Praxis</strong>zusammenhänge eingebunden ist. Damit verkennen sie<br />

die vorgängige und reflexiv nicht einholbare Orientierung und Begrenzung<br />

der eigenen Fähigkeit zum Wahrnehmen, Denken und Handeln. Dies<br />

sowohl im Blick auf die inhaltliche Bestimmtheit dieser Orientierungen, als<br />

auch auf die grundsätzlichere Perspektive: ihre Endlichkeit und Unfähigkeit<br />

zur absoluten Reflexion. Alle Ansätze (auch und gerade die abstraktesten)<br />

machen sich in ihren Begründungsversuchen irgendein Bild von Gott<br />

bzw. vom Heiligen.<br />

Wenn man meint, absolute Begründung erreichen zu können, macht<br />

man auch Annahmen über das Begründende. Man nimmt also eine Welt<br />

hinter der Welt an, eine andere, „tiefere“, „die wahre“ Wirklichkeit, kurz: das<br />

„Wesen“ der Dinge. Diese Annahme als Aussage religiösen Glaubens ist<br />

normal. Als wissenschaftliche Aussage mit objektiver Begründungsabsicht<br />

impliziert sie freilich, dass das vermeintliche jeweilige „Wesen“ für alle<br />

Menschen verbindlich als wahr gelten soll – denn sonst wäre ja die Begründung<br />

keine Begründung. Dafür ist aber eine möglichst hohe Abstraktion<br />

von den Alltagsverhältnissen und Lebensbedingungen nützlich.<br />

Also beginnt man die Reflexion stillschweigend beim Individuum (an und<br />

für sich) in seiner individuellen Relation zum Absoluten. Die Bezeichnungen<br />

für das Absolute (zum Beispiel das Tremendum, das Numinosum oder<br />

das Bestimmende) hingegen bleiben im Allgemeinen nicht leer oder formal,<br />

sondern sind durch das zu Begründende (erfahrbare Wirklichkeit)<br />

inhaltlich gefüllt. Diese Tatsache läuft darauf hinaus, dass die Autoren<br />

dazu neigen, ihre Worte, mit denen sie vom Absoluten reden, wie Bezeichnungen<br />

für eine begründende Realität zu verwenden. Das verführt zum<br />

stillschweigenden Sprung vom Wort zum Ding, vom grammatischen<br />

Subjekt zur ontologischen Substanz. So ist natürlich „Begründung“ mög-<br />

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