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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Im Verhältnis zwischen den Feldern funktioniert Kapital wie eine<br />

praktische Metapher, denn es ist in der Lage, Felder miteinander zu verbinden<br />

und Wechselbeziehungen herzustellen. Dies ist wichtig für Umstellungsstrategien,<br />

mit denen Menschen etwa in Krisen ihre Hauptaktivitäten<br />

von einem bestimmten Feld in ein anderes verlegen, um der Krise begegnen<br />

zu können. Wenn man etwa von einer religiösen Aktivität (zum Beispiel<br />

als Pastor einer freien Pfingstgemeinde in Rio de Janeiro) nicht mehr<br />

leben kann (weil etwa die eigenen Mitglieder zur Umbanda abwandern),<br />

muss man sich eben nach „etwas Anderem“ umsehen (und wäscht zum<br />

Beispiel Autos). Häufig verhilft auch umgekehrt das religiöse Feld zu einer<br />

ökonomischen Verbesserung. Wenn etwa in einem Slum in Manila ein<br />

Handwerker aufgrund einer ökonomischen Krise keine Arbeit findet, gerät<br />

er vielleicht in eine persönliche Krise. Diese löst er durch religiöse Konversion:<br />

er wird Pfingstler. Fortan geht er täglich zur Kirche und engagiert<br />

sich in religiösen Aktivitäten. Damit ist er in einem doppelten Sinne konvertiert:<br />

er hat einen neuen Glauben angenommen und er hat einen (wichtigen)<br />

Teil seiner Aktivitäten auf ein neues <strong>Praxis</strong>feld verlegt. In der Kirche<br />

lernt er Menschen kennen, und die lernen ihn kennen als „Bruder“, als<br />

vertrauenswürdigen Menschen und als Handwerker. Auf diese Weise steigt<br />

objektiv seine Chance, über die neuen Beziehungen neue Arbeit zu finden.<br />

Sein religiöses Engagement wird Grundlage für Beziehungen im religiösen<br />

Feld, die ihm zu sozialem Kapital werden, und es ihm erlauben, im ökonomischen<br />

Feld wieder Güter erwirtschaften zu können. Hier haben objektiv<br />

(ohne bewusstes Kalkül!) mehrere Umwandlungen von Gütern in Kapital<br />

sowie Konversionen zwischen verschiedenen Kapitalsorten stattgefunden,<br />

die im ganzen zu einer Strategie der Feldumstellung beigetragen haben.<br />

Einsatz im religiösen Feld (Engagement), religiöses Wissen, soziale Beziehungen<br />

und fachliche Kenntnisse können auf diese Weise als Elemente<br />

einer objektiven (!) praktischen Strategie verstanden werden. Eine sehr<br />

ähnliche Umstellungsstrategie hat statt, wenn im theologischen Feld bei<br />

entsprechend günstiger Feldkonjunktur – einer Perspektive theologischer<br />

Intellektueller auf politischen Einfluss – typisch theologische Denkstrategien<br />

in das politische Feld übertragen werden. Dies ist etwa dann der Fall,<br />

wenn aus dem Reich Gottes-Begriff real-utopische politische Handlungsalternativen<br />

oder wenn aus dem Begriff der Schöpfungsordnung Gehorsam<br />

gegen die Obrigkeit abgeleitet werden sollen.<br />

Für das Verstehen der Ökonomie des religiösen Feldes und theologischer<br />

Produktion ist insbesondere eine weitere Unterscheidung von Nutzen:<br />

Kapital kann objektiviert vorliegen oder auch inkorporiert sein. Eine<br />

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