02.12.2012 Aufrufe

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Diese „gemischte Rede“ – die äquivok zu sein scheint, es aber nicht ist – läuft<br />

auf die „Semantik des Wunsches“ (ebd.) hinaus, die sich in der Philosophie, nach<br />

Ricoeur, in der engen Verbindung von Erkenntnis und Streben (bei Platon die<br />

Hierarchie der Liebe neben der der Ideen, der conatus bei Spinoza) und in Psychoanalyse<br />

im Verhältnis von Symbol und Libido (170) zum Ausdruck bringt.<br />

Der entscheidende Gewinn dieses Ansatzes ist die Zusammenführung von<br />

Streben, Kraft und den dem Bewusstsein vorausliegenden Gestalten des Psychischen<br />

einerseits sowie der Formung der Sprache andererseits.<br />

Allerdings hat der Ansatz auch seine Probleme. Ricoeur bleibt in seiner Hermeneutik<br />

des Ich-bin in einer subjektivistischen Perspektive gefangen, wenn er<br />

feststellt, dass die philosophische Anthropologie heute den in Heideggers Sein und<br />

Zeit vorgezeichneten Weg, ausgehend von der Vorgängigkeit des In-der-Welt-<br />

Seins, mit den Mitteln der Linguistik, der Semiologie und der Psychoanalyse nachzeichnen<br />

müsse: „Dann gibt es zunächst das In-der-Welt-sein, dann das Verstehen,<br />

dann das Auslegen und schließlich das Sagen.“ (172)<br />

In diesem Zusammenhang legt es sich nahe, gegenüber Ricoeurs Auffassung<br />

vom transzendentalen Ursprung des Symbols auf Distanz zu gehen; einer Auffassung,<br />

die letztlich – in Analogie zur Theorie des Gesellschaftsvertrages als<br />

Ursprung der Gesellschaft – auf der idealistischen Seite des levi-straussschen<br />

Strukturalismus aufbaut (163). Ebenso problematisch erscheint mir, dass Ricoeur<br />

von der idealistischen Annahme der Selbst-Setzung des Subjekts (166) keinen<br />

Abschied zu nehmen vermag, obwohl er die psychoanalytisch festgemachten<br />

Bedingungen der Subjektivität breit entfaltet (138 ff.). Er unterscheidet dort zwar<br />

zwischen dem Dass und dem Wie des Subjekts, so dass man die Selbst-Setzung<br />

des Subjekts auf der Seite des Dass veranschlagen könnte. Aber er sagt doch<br />

immerhin im Rahmen der Überlegungen zum Strukturalismus, dass die Setzung<br />

des Ich in der Sprache vollzogen werden müsse und nicht neben ihr (161). Sie<br />

muss sich also in einem vorgängig mit Bedeutungen belegten Raum vollziehen, in<br />

der Geschichte, und ist somit semantisch und (mindestens) individuell-lebensweltlich,<br />

wenn nicht gesamtgesellschaftlich, (mit-) bestimmt. Das Subjekt setzt<br />

sich ja nicht in leeren Zeichen, sondern die semantische Funktion der sprachlichen<br />

Zeichen setzt eine vorgängige objektive Weltbeziehung, wenn denn die Selbstsetzung<br />

in einer tatsächlich gesprochenen Sprache erfolgen soll; das Wie und das<br />

Dass der Setzung sind somit allenfalls nominal voneinander zu unterscheiden,<br />

wobei diese Unterscheidung allerdings irreführend ist, da sie suggeriert, es gäbe<br />

vor- oder außer-weltliche bzw. außer-gesellschaftliche, eben transzendentale<br />

Subjektivität. Auch das Gerichtet-Sein des Menschen geht ja nicht primär auf<br />

Selbstsetzung, sondern (wie die Psychoanalyse zeigt und Ricoeur selbst aufnimmt)<br />

auf Trieb bzw. Wunsch nach Sein zurück; und das Wirkliche als Gegenstand des<br />

Gerichtet-Seins vermittelt sich ja gerade durch die objektiv gegebenen Bedeutungen.<br />

Man sollte wegen der Probleme meines Erachtens zwei Einschränkungen<br />

vornehmen. Erstens sollte sich der Begriff der Semantik nicht im Verweis auf das<br />

124

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!