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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Entsprechend zu den unterschiedlichen Positionen im religiösen Feld<br />

kann man natürlich verschiedene religiöse Habitus konstruieren. Innerhalb<br />

einer Position gibt es zugleich immer einige zentrale Dispositionen, die<br />

Wiedererkennungswert und damit identitätsbildende Funktion haben. 87<br />

Zum Beispiel erklärten sich so gut wie alle guatemaltekischen Pfingstler die<br />

verfahrene gesellschaftliche Lage als ein Zeichen der Endzeit; während<br />

Neopfingstler sie auf das Wirken von Dämonen zurückführten und –<br />

folgerichtig – andere negative Eigenschaften der gesellschaftlichen Situation<br />

hervorhoben als die Pfingstler. Die Pfingstler beten kniend, gebeugt<br />

und zerknirscht; die Neopfingstler stehen und halten die Arme nach oben<br />

hin geöffnet. Somit kann man sich eine bestimmte Anzahl von kollektiven<br />

kognitiven, affektiven und leiblichen Dispositionen als die wirksamen<br />

zentralen Strukturen der entsprechenden religiösen <strong>Praxis</strong> vorstellen. Diese<br />

zentralen Strukturen setzen so etwas wie einen Akzent, einen Interpretationsschlüssel,<br />

für die Arbeit der jeweiligen religiösen Akteure mit dem von<br />

der Tradition vorgegebenen religiösen Zeichensystem (etwa einem pfingstlerischen,<br />

lutherischen, buddhistischen etc.). Sie orientieren und begrenzen<br />

die Art und Weise, in der die Akteure das Zeicheninventar des Systems in<br />

ihre praktische Logik einfügen und dadurch seine bereits strukturierten<br />

Strukturen auf die leise und charmante, aber wirkungsvolle Art der praktischen<br />

Logik verändern (etwa durch Auslassen oder Ersetzen eines Elements,<br />

Überspringen einer Stelle, Bevorzugung des Schemas ‚x‘ vor dem<br />

Schema ‚y‘, ohne dem Schema ‚x‘ die Legitimität zu bestreiten usw.). Bei<br />

diesem Spiel der praktischen Logik sind immer zugleich kognitive, affektive<br />

und leibliche Dispositionen am Werke. Sie sollten nur aus heuristischen<br />

Gründen unterschieden und einzeln untersucht werden.<br />

In der theoretischen Konstruktion der kognitiven Dispositionen sollten<br />

wir zwei Unterscheidungen treffen: die zwischen den religiösen Zeichensystemen<br />

und den religiösen Habitus sowie die zwischen impliziten und<br />

expliziten Strukturen. Die religiösen Zeichensysteme sind im Allgemeinen<br />

von den religiösen Traditionen vorgegeben und weisen einen jeweils auf<br />

spezifische Weise begrenzten und mit Akzentsetzungen (zum Beispiel<br />

Glossolalie, Bekehrung, Rechtfertigung, Sakramente, Erwachsenentaufe)<br />

versehenen Zeicheninventar sowie spezifische Zeichenstrukturen bzw.<br />

gebräuchliche Schemata auf (zum Beispiel Gesetz versus Evangelium,<br />

Natur versus Gnade, Priester versus Laie). Sie sind im Allgemeinen in<br />

87 Vgl. die entsprechende Identitätstheorie in Schäfer: Theorie.<br />

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