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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Geschichte“ (Bultmann: Bewegung 13). Das ist zu total, zu viel, und gerade<br />

darum zu wenig. „Gott“ als „die totale Aufhebung des Menschen, seine<br />

Verneinung, seine Infragestellung, das Gericht über den Menschen“ (Bultmann:<br />

Bewegung 18) ..., diese Auffassung betont emphatisch den Bruch<br />

zwischen Gott und Kultur in einer Zeit, in der auch viele Theologen mit<br />

der Kultur des wilhelminischen Reiches gebrochen hatten und sich „zwischen<br />

den Zeiten“ verorteten; einer Zeit, in der der Bruch mit dem Missbrauch<br />

des Christentums im Kaiserreich den Ausgangspunkt einer Neu-<br />

Besinnung christlicher <strong>Theologie</strong> markierte. Insofern ist die Behauptung<br />

der Absolutheit, Allgemeinheit und Radikalität theologischer Diskontinuitäten<br />

gerade ein Erweis dessen, dass diese <strong>Theologie</strong> präzise in die religiöse<br />

Nachfrage der Zeit traf. Das erklärt auch ihre rasche Ausbreitung unter der<br />

Pfarrerschaft. Sie war in kontextueller Hinsicht sehr präzis. Wenn aber, im<br />

Laufe der Zeit, die Logik absoluter Diskontinuitäten selbst zum Ausweis<br />

einer etablierten theologischen Position und Dogmatik wird, kann Negativität<br />

zur Pose werden. Die These des radikalen Bruchs und der Diskontinuität<br />

zwischen Gott und Welt wäre dann wiederum einer kritischen<br />

Gegenrede auszusetzen, wenn <strong>Theologie</strong> denn dialektisch bleiben soll.<br />

Dazu kommt, dass reine Negativität nicht präzise ist. Wie soll man als<br />

Christ oder Christin denn die „totale Aufhebung des Menschen“ im Glauben<br />

leben? Auch hier ist ein kritischer Wirklichkeitsbezug dialektischer<br />

<strong>Theologie</strong> auf ihre eigene <strong>Praxis</strong> gefordert, den sie freilich durchaus beweist.<br />

Selbstkritik und Wandlungsfähigkeit ist etwa bei Karl Barth durchaus<br />

zu beobachten, obwohl sich seine <strong>Theologie</strong> immer objektivistisch<br />

gebärdet. 71<br />

Der dialektisch-theologische Widerspruch gegen Anknüpfungstheologie<br />

allerdings scheint auch für einen praxeologischen Ansatz sehr bedeutsam.<br />

Distanz ist geboten gegenüber Formulierungen wie sie noch der<br />

junge Karl Barth selbst in einer Predigt verwendete: „In der Erfahrung, der<br />

lebendigen Erfahrung kommen wir dazu, Gott den Lebendigen zu<br />

sehen“. 72 Praxeologische <strong>Theologie</strong> ist vielmehr im Sinne einer kritischen<br />

71 Vgl. dazu etwa im Jahre 1956 die selbstkritischen Akzente in Barth: Menschlichkeit. Vgl.<br />

auch Maaser: Identität 295, der diesen kritischen und selbstkritischen Wirklichkeitsbezug<br />

dialektischer <strong>Theologie</strong> hervorhebt. Bei Bultmann kann man auf seine Überlegungen zur<br />

Hermeneutik verweisen. Wer voraussetzungslose Exegese in Zweifel zieht (vgl. Bultmann:<br />

Exegese), kann schlecht eine Pose radikalen Bruchs behaupten oder weiterhin erklären,<br />

Exegeten müssten sich „von jedem für wissenschaftliche Erkenntnis möglichen Geschichtsbild<br />

frei“ machen (Bultmann: Bewegung 4).<br />

72 Predigten 1914 23, zit. nach Frey: Barth 41.<br />

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