02.12.2012 Aufrufe

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Nimmt man implizit an, die Akteure seien autonom (oder „theonom“), stellt sich<br />

auch die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gesellschaft unter der Alternative<br />

von Freiheit und Determination. Die Fragestellung, ob Religion ein „Epiphänomen“<br />

von Gesellschaft sei oder nicht, ist genau so obsolet wie die Gegenüberstellung<br />

von Realismus und Nominalismus. Zeichen sind nicht einfach Verweise<br />

auf Sachen oder Namen für Sachen. Genauso wenig ist Religion einfach ein völlig<br />

determiniertes Abbild (Widerspiegelung) der Gesellschaft, noch ist sie vollkommen<br />

unabhängig von ihr. Die Vermittlung von beidem muss man verstehen.<br />

So sehr er auch auf universale Geltung seiner eigenen Wertekataloge pocht, so<br />

deutlich ist doch Stackhouses Kontextabhängigkeit. Nur legt er sich darüber<br />

keine Rechenschaft ab. Denn Stackhouse kritisiert zwar die Abhängigkeit der<br />

untersuchten Ansätze von Philosophie und Soziologie; aber er scheint selbst nicht<br />

einmal zu merken, dass seine eigenen Hauptargumente nicht theologischer Art<br />

sind, sondern philosophischer. Die angeblich universalen Werte zum Beispiel und<br />

das gesamte Vorgehen zeigen kaum mehr als einen US-amerikanischen, evangelikalen<br />

common sense.<br />

Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird auch in seiner Auseinandersetzung<br />

mit der feministischen <strong>Theologie</strong> (199 ff.) deutlich. Er erledigt ihre<br />

gravamina als männlicher Theologe mit dem Verweis auf die schlechte Orthopraxie<br />

feministischer Theologinnen. In der Veränderung der Frauenrolle sieht Stackhouse<br />

nicht eine neue Herausforderung, sich über die Kontextbindung theologischen<br />

Schaffens und damit über die Hervorbringung von <strong>Theologie</strong> Gedanken zu<br />

machen. Vielmehr wechselt er gleich in den normativen Diskurs und stellt fest,<br />

dass die Frauendiskriminierung in der Kirche fundamentale Prinzipien der Gerechtigkeit<br />

verletzt und damit über die Jahrhunderte hinweg ein „basic mistake“<br />

(199) in der kirchlichen Lehre und <strong>Praxis</strong> gewesen sei. Ihre „grounded scientia“ und<br />

„warranted wisdom“ hätten die Kirche nicht vor diesem „Fehler“ bewahren<br />

können. Aber Stackhouse fordert nur eine Vertiefung der Orthodoxie und eine<br />

Korrektur bis hin zu einer „non-sexist Christology“ (200). Worthülsen oder<br />

hilflose Kontextabhängigkeit? Der wichtige Zusammenhang zwischen kulturell<br />

bedingter männlicher Herrschaft in der Kirche und der Produktion theologischer<br />

Diskurse kommt bei ihm überhaupt nicht in den Blick.<br />

sich auch in kultureller und staatlicher Organisation zum Ausdruck bringt: „Blutzusammenhang“,<br />

„Volk“, „Rasse“, „Obrigkeit“, „Führer“ – alles ist von Gott eingesetzt und<br />

entspricht Gottes Willen (§§ 3-5). Damit wird Politik zu Natur und Natur wird zu Gnade.<br />

Ein kritischer Bezug zwischen Evangelium und „Naturordnung“ ist deshalb nicht mehr<br />

nötig. Dort, wo er hergestellt werden müsste, fehlt er deshalb auch. Der „Maßstab“<br />

kirchlichen Handelns (§ 7) erklärt sich vom Auftrag des Herrn her. Dieser aber hat keine<br />

andere inhaltliche Definition als die o.g. Einheit von Natur und Gnade in den Ordnungen<br />

des Gesetzes. Die Kirche passt sich also an den natürlich-göttlichen Staat an und kann<br />

seine Segnungen still genießen. Das hat weder etwas mit kontextueller noch mit Befreiungstheologie<br />

zu tun.<br />

60

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!