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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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a. Habitus<br />

Praktische Logik ohne ihre Bindung an den Habitus der Akteure bleibt<br />

ein abstraktes Konzept. Wenn man eine praktische Logik verstehen will,<br />

kann man nicht von denen absehen, die handeln; ebensowenig wie von<br />

den Umständen, aufgrund derer sie so handeln, wie sie handeln. Man kann<br />

eine praktische Logik nicht als fertiges Ding begreifen und vergessen, wie<br />

sie entsteht und sich wandelt. Allerdings: „Über den Mythos als konstituierte<br />

Realität den mythopoetischen Akt als konstituierendes Element<br />

wiedererfassen bedeutet nicht, wie der Idealismus meint, die Universalkategorien<br />

der von Cassirer so bezeichneten ‚mythopoetischen Subjektivität‘<br />

oder, in den Worten von Lévi-Strauss, die ‚Grundstrukturen des<br />

menschlichen Geistes‘, die angeblich unabhängig von den gesellschaftlichen<br />

Bedingungen alle empirisch realisierten Konstellationen regieren, im<br />

Bewußtsein zu suchen. Vielmehr läuft dies darauf hinaus, das gesellschaftlich<br />

konstituierte System der untrennbar zugleich kognitiven und wertenden<br />

Strukturen zu rekonstruieren, das die Wahrnehmung der Welt im<br />

Einklang mit den objektiven Strukturen eines bestimmten Zustandes der<br />

Sozialwelt ordnet...“ (Bourdieu: Sinn 172) ...und entsprechende Praktiken<br />

hervorbringt.<br />

Die Hervorbringung und Organisation der zugleich wahrnehmenden<br />

und wertenden sowie zugleich kognitiven, affektiven und leiblichen Dispositionen<br />

in den Akteuren beschreibt Bourdieu im Modell eines generativen<br />

Systems, dem Habitus. Der Habitus ist von den gesellschaftlichen Lebensbedingungen<br />

seiner Träger strukturiert und wirkt zugleich strukturierend<br />

auf diese Bedingungen zurück. „Gesellschaftliche Bedingungen“ verstehen<br />

sich dabei in einem sehr umfassenden Sinne als alles, was zur Reproduktion<br />

des Lebens dazugehört – also nicht nur klassisch als Produktionsbedingungen,<br />

sondern auch als gewöhnliches Alltagshandeln, Alltagsweisheiten,<br />

Lebensstile, Bildung, Gebräuche, Mythen (moderne und alte)<br />

und natürlich auch religiöse Traditionen und Geschichten von Gott.<br />

„Habitus“ meint die Gesamtheit aller „strukturierten und strukturierenden<br />

Dispositionen, innerhalb derer Denkschemata (und damit auch Handlungsentwürfe,<br />

HS) gebildet und verändert werden“ (Bourdieu: Sinn 77).<br />

Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass der Habitus nicht nur kognitive<br />

sondern auch affektive und leibliche Dispositionen umfasst. Da hier <strong>Theologie</strong><br />

im Zentrum des Interesses steht, werde ich mich auf die kognitiven<br />

Dispositionen konzentrieren.<br />

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