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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Klassisch werden Prinzipien aus der Reflexion der einen Vernunft<br />

abgeleitet. Dementsprechend universal sollen die im Feld der theoria erschauten<br />

Prinzipien sein. Sie können – zum Beispiel über „mittlere Axiome“<br />

(Abrecht), wie es in der klassischen ökumenischen Wirtschaftsethik<br />

hieß – überall angewandt werden. Es liegt auf der Hand, dass religiöse<br />

Ethiken einer starken Versuchung zu dieser universalistischen Logik unterliegen.<br />

Allerdings kommt es auch bei universalistischen Prinzipienethiken zu<br />

einem performativen Widerspruch. Die Formulierung eines universalen<br />

Prinzips setzt einen bestimmten, faktisch partikularen – weil westlich<br />

modernen, kantischen – Vernunftbegriff voraus. Der Widerspruch zeigt<br />

sich in der Erfahrung, dass ethische Prinzipien (etwa Gleichheit oder<br />

Gerechtigkeit) interkulturell nicht unmittelbar einsichtig sind, schon gar<br />

nicht im Kontext von Konflikten. Wenn man ein „westliches“ ethisches<br />

Prinzip mit universalem Anspruch überall zur Geltung bringen will, erfährt<br />

man fast zwangsläufig, dass es nicht universal evident ist. Umgekehrt geht<br />

es islamischen Fundamentalisten ja ähnlich mit der Erfahrung, dass westliche<br />

Akteure den universalistischen Geltungsanspruch wahabitischer Gestaltungsprinzipien<br />

zurückweisen.<br />

Die Kritik am universalistischen Vernunftkonzept ist bekannt: Die<br />

Idee realisierter (oder realisierbarer) Universalität ist abstrakt und illusionär;<br />

letztlich läuft sie auf das Recht des Stärkeren bzw. auf Konflikt hinaus.<br />

2.3 Im Partikularen geerdete Vernunft<br />

Faktisch funktionieren Prinzipien in der Gestaltung von <strong>Praxis</strong> dank ihrer<br />

Anerkennung durch eine bestimmte Kommunkationsgemeinschaft. Sie<br />

sind auf praktische Weise partikular. Der Bezug von sozialen Akteuren auf<br />

Prinzipien – wenn auch nur in diesem partikularen Rahmen – ist aus der<br />

Sicht des Ethikers und der Ethikerin sinnvoll, denn es ist schon einmal<br />

nützlich für ein humanes Zusammenleben, wenn Menschen überhaupt auf<br />

oberste Leitsätze reflektieren. Die allgemeine Geltung von ihren Gestaltungsnormen<br />

wird von Akteuren alltagspraktisch implizit vorausgesetzt.<br />

Sie kann auch explizit artikuliert werden, ohne zwingend gegen Andere<br />

durchgesetzt werden zu müssen: Man lebt zwar in der Überzeugung, auf<br />

dem richtigen Wege zu sein, lässt aber auch Menschen anderer Ausrichtung<br />

leben. Ein solcher „weicher“ Universalitätsanspruch akzeptiert zwar<br />

faktisch die Relativität von Geltungsansprüchen, hält aber den Blick auf<br />

das Allgemeine offen.<br />

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