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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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den religiös-sozialen Gegensatz zwischen armen und reichen Christen<br />

(Jüngern) bei Lukas und transformiert ihn in einen rein religiösen.<br />

Exkurs: Zur Auslegung von Lukas 6, 20-26 (Beispiel 1)<br />

Eine Schriftauslegung in praxeologischer Perspektive müsste noch entwickelt<br />

werden. Sie läge irgendwo zwischen strukturaler und sozialgeschichtlicher Exegese.<br />

Für meine Ausführungen an dieser Stelle reicht ein eher struktural orientierter<br />

Blick 122 auf den lukanischen Text.<br />

Bei einer strukturalen Analyse des Textes wird man den Gegensatz zwischen<br />

reichen und armen Jüngern als die Grundunterscheidung der lukanischen Redaktion<br />

des Textes Lukas 6, 20-26 erkennen. Durch die Anrede an die Jünger in V. 20 wird<br />

die Isotopie JÜNGERSCHAFT für den Text gesetzt und unter den Klassemen<br />

„reiche (Jünger)“ und „arme (Jünger)“ entfaltet. 123 Lukas geht es somit um die<br />

Bewertung der unterschiedlichen sozialen Positionen unter den Christen sub specie<br />

aeternitatis. Ein Gegenbild zu den reichen Christen der Weherufe, über deren<br />

Existenz im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium der christlichen Gemeinden<br />

zur lukanischen Zeit sich die Exegese ja einig ist, wäre dann Zachäus (Lukas 19,2<br />

ff.). Dieser wird Christ und gibt die Hälfte seines Vermögens den Armen. Im<br />

Gegensatz zu jenen trägt Zachäus zur Überwindung von Not bei, auf die (nach<br />

Wengst: Pax 84) auch die Aussageintention der jesuanischen Seligpreisungen zielt.<br />

Es gibt meines Erachtens keinen Grund, der von Schneider behaupteten spiritualisierenden<br />

Auffassung zuzustimmen (Schneider: Lukas 151), die Weherufe seien an<br />

die „außerhalb der Jüngergemeinde Stehenden“ gerichtet.<br />

Allerdings ist mein Auslegungsvorschlag nicht der einzige, der sich aus strukturaler<br />

Perspektive machen lässt. Er kommt dann zustande, wenn man den Text<br />

auf der lukanischen Redaktionsebene untersucht (auf der ihn ja auch der pfingstliche<br />

Pastor liest). Dabei muss man nur ernstnehmen, dass Lukas durch die Angeredeten<br />

(die Jünger) eine einheitliche Ebene (Klassem-Basis) der Bedeutung<br />

setzten wollte (vgl. auch die Anredeformen in V. 20b und 24). Nichts spricht für<br />

eine andere Annahme.<br />

122 Hier werde ich mich vor allem an Greimas orientieren. Vgl. Gremias: Semantik; zur<br />

Verwendung dieser Theorie in Bibelauslegungen vgl. Delorme: Gleichnisse. Es muss allerdings<br />

berücksichtigt werden, dass Gremias‘ Semiologie nur eine Wissenschaft von den<br />

Zeichen ist, nicht von der <strong>Praxis</strong>.<br />

123 Diese Termini bei Greimas bedeuten knapp und umgangssprachlich gesagt Folgendes:<br />

Eine Isotopie ist das Leitthema eines Diskurses; Klasseme und klassematische Kategorien<br />

sind Sub-Themen, denen gemäß das Leitthema sich entfaltet. Ersteres versteht sich<br />

von den Letzteren her und umgekehrt.<br />

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