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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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herstellenden Homologie (auf der Grundlage jener von philosophischem und<br />

politischem Feld) fungiert der spezifische Habitus dieses ‚ordentlichen Philosophen‘,<br />

der, ländlichen Kleinbürgerkreisen entstammend, Politik nicht anders<br />

denken und formulieren kann als mit den Schemata und Worten der Ontologie –<br />

so dass ihm eine Rede als nationalsozialistischer Rektor notwendig zu einem<br />

metaphysischen Glaubensbekenntnis geraten muß.“ (Bourdieu: Heidegger 63) Die<br />

Kehre führt „Heidegger II“ (Bourdieu) lediglich dazu, auf dem Wege der Selbstinterpretation,<br />

aber ohne Bruch, „die stilistischen und heuristischen praktischen<br />

Schemata von Heidegger I in eine Methode zu verwandeln und als explizite Theorie<br />

zu entfalten“ (Bourdieu: Heidegger 128). Er kommt aber nicht dazu, sein eigenes<br />

Denken angesichts der an ihn gerichteten politischen Fragen seinerseits zu objektivieren<br />

und einer Kritik zu unterziehen. Vermutlich war er – wie es jedem droht,<br />

der mehr oder weniger nichtentfremdet produziert – zu sehr identifiziert mit den<br />

Produkten seiner geistigen Anstrengungen, um eine kritische Wendung auf sich<br />

selbst riskieren zu können. Es drohte die Gefahr des Absturzes von seiner aus<br />

dem Denken des Seins selbst gewonnenen absoluten Position in die Niederungen<br />

der Relativität. Heidegger hätte erkennen müssen, zeigt Bourdieu, dass es gerade<br />

die Illusion der Allmacht des „wesentlichen Denkens“ und der Absolutheit des<br />

Denkers sowie die Verkennung der eigenen Relativität sind, die den Denker zum<br />

Objekt der Wirkung des „gesellschaftlichen Ungedachten“ machen (Heidegger 133).<br />

Wird die Verkennung der eigenen Position durch die in sie investierte Arbeit erst<br />

einmal identitätsstiftend, so ist die Freiheit zur Kritik an der eigenen Position nur<br />

über eine Identitätskrise zu erreichen. Diese aber entsteht nicht aus dem wissenschaftlichen<br />

Akteur selbst oder den von ihm konstruierten vermeintlich objektiven<br />

Modellen der Wirklichkeit; zumal dann nicht, wenn die der Verkennung zugrunde<br />

liegenden Dispositionen der Wahrnehmung und des Denkens eine stabile gesellschaftliche<br />

Position reproduzieren. Eine Identitätskrise entsteht nur von außen,<br />

extra nos, durch objektive, gesellschaftliche Prozesse oder – theologisch gesprochen,<br />

aber sehr präzisierungsbedürftig: – durch eine Erfahrung des Eingreifens<br />

Gottes bzw. des „Evangeliums als Unterbrechung“ (Eberhard Jüngel).<br />

Dass auch Theologen, die noch einmal ein anderes, gewissermaßen intimeres,<br />

Verhältnis zum Absoluten haben als Philosophen, gegen die Wirkung gesellschaftlich<br />

geprägter Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata nicht gefeit<br />

sind, zeigt Wolfgang Maaser (Identität) überzeugend am Beispiel der politischen<br />

Ethik (leider nicht der Dogmatik!) Walter Künneths. Maaser geht dabei aus von<br />

den Grundannahmen wissenssoziologischer (Berger/Luckmann) und phänomenologischer<br />

(Schütz, Waldenfels) Forschung über die soziale Konstruktion menschlichen<br />

Wissens und arbeitet sich mit Hilfe der neueren politischen Kulturforschung,<br />

der Biographiehermeneutik und des adornoschen Autoritarismus-Konzepts<br />

durch die Biographie und die Literatur Künneths. Er erfasst auf diese Weise<br />

Grundmuster der künnethschen Sozialisation, wie zum Beispiel Harmonieorientierung,<br />

Gehorsam, die Begriffe der „Macht und Hierarchie“ und andere. Diese<br />

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