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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Hat man sich als Theologe also erst einmal von der „Scholastik und<br />

Mythologie der leeren Abstraktionen“ 68 in der Dogmatik gelöst, bleibt die<br />

Forderung nach einer Wissenschaft die menschliches Handeln und Denken<br />

im Zusammenhang von Schrift, theologischer Tradition und gesellschaftlichen<br />

Umständen im umfassendsten Sinne berücksichtigt; man kann<br />

auch sagen: einer Wissenschaft, die <strong>Theologie</strong> als „sinnlich menschliche<br />

Tätigkeit“ 69 begreift. Genau dazu ist ein praxeologisches Vokabular zu<br />

empfehlen.<br />

Freilich stünde man in der Gefahr, die Fehler des Liberalismus und Kulturprotestantismus<br />

zu wiederholen, wollte man nicht die historische Entwicklung<br />

der Zwischenzeit beachten, vor allem die Auseinandersetzung<br />

zwischen dialektischer <strong>Theologie</strong> und Liberalismus. In der frühen<br />

Phase dieser Auseinandersetzung fasst Bultmann das Problem der liberalen<br />

<strong>Theologie</strong> wie folgt zusammen: „Überall hier ist dem Christentum sein<br />

skándalon genommen, d.h. es wird nicht gesehen, dass Gottes Anderssein,<br />

Gottes Jenseitigkeit die Durchstreichung des ganzen Menschen, seiner<br />

ganzen Geschichte bedeutet.“ (Bultmann: Bewegung 13) Dieser Satz nennt<br />

zugleich das Problem des Liberalismus und das der dialektischen <strong>Theologie</strong>.<br />

Das entscheidende Problem des Liberalismus kann man darin erblicken,<br />

den christlichen Glauben in der Kultur aufgehen zu lassen und seinen<br />

Widerspruch zu den menschlichen Werken und zur menschlichen Sünde<br />

einzuebnen. Eine unkritische Haltung gegenüber der Kultur hat sicher zu<br />

jenem von Karl Barth mit Schrecken wahrgenommenen „schwarzen Tag“<br />

Anfang August 1914 beigetragen, an dem „93 Intellektuelle mit einem<br />

Bekenntnis zur Kriegspolitik Kaiser Wilhelms II. und seiner Ratgeber an<br />

die Öffentlichkeit traten“ (Barth: Jahrhundert 574). Auch kann man sich<br />

nach Zusammenhängen fragen zwischen Harnacks liberaler <strong>Theologie</strong>,<br />

seiner recht affirmativen Haltung gegenüber den politischen Machtstrukturen<br />

seiner Zeit und seinen politischen Funktionen im akademischen Feld<br />

des wilhelminischen Reiches, zum Beispiel als Präsident der Kaiser<br />

Wilhelm-Gesellschaft.<br />

Theologisch entscheidend ist, dass der liberalen <strong>Theologie</strong> mit einer<br />

apologetischen und die Kultur positiv wertenden Grundhaltung der kritische<br />

Widerspruch christlicher Offenbarung verloren gegangen ist. Aus zeitli-<br />

68 ...so von Harnack in der englischen Ausgabe, Harnack: History 12.<br />

69 Marx: Feuerbach 5, erste These gegen Feuerbach.<br />

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