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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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und sonst allzu menschlich wie die griechischen Götter) und dass man<br />

(trotzdem) über sie etwas aussagen kann. Für religiöse <strong>Praxis</strong> sind Annahmen<br />

dieser Art unerlässlich; sie braucht Gottesbilder und Vorstellungen<br />

vom Jenseits. Daraus resultiert ein praktischer Begriffsrealismus mit<br />

Absolutheitsanspruch. Würde religiöse <strong>Praxis</strong> – im Unterschied zu allen<br />

anderen Praxen – für die Gläubigen keinen erfahrbaren (und damit auch<br />

vorstellbaren) Bezug des menschlichen Lebens zum Absoluten herstellen,<br />

wozu wäre sie nütze? Wer wäre dann religiös und warum?<br />

Verschiedene Religionen bringen unterschiedliche Vorstellungen mit<br />

ähnlichen Absolutheitsansprüchen hervor. Im Blick auf die praktische<br />

Logik von Religion dazu zunächst die folgende Beobachtung: Diese praktischen<br />

Absolutheitsansprüche können miteinander in Konflikt geraten. Dies<br />

geschieht häufig und insbesondere dann, wenn homolog zu ihnen politische<br />

Konflikte ausgefochten werden. Freilich gibt es auch eine praktische<br />

Strategie des Umgangs mit konkurrierenden Absolutheitsansprüchen. Man<br />

sagt einfach: „Wir haben doch alle denselben Gott.“ Dies lässt die eigenen<br />

und die fremden Absolutheitsansprüche gelten, relativiert aber zugleich<br />

faktisch die religiösen Vorstellungswelten. (Dem entsprechend kann man<br />

diese Haltung eher dort beobachten, wo die affektive und soziale Seite von<br />

religiöser <strong>Praxis</strong> deutlich wichtiger ist als die kognitive, also etwa in Altenheimen.)<br />

Diese praktische Strategie hat statt, wenn zum Beispiel der Papst<br />

zum Gebet der Religionen nach Assisi lädt; oder wenn in einer deutschen<br />

Kleinstadt die evangelische Kirchengemeinde mit der Gemeinde der Moschee<br />

im Stadtviertel einen Gottesdienst abhält, in dem zu einem gestimmten<br />

Anlass beide Gruppen beten. In einer solchen Situation treffen unterschiedliche<br />

Gottesvorstellungen in der Form unterschiedlicher Anreden<br />

Gottes und Gebetsinhalte aufeinander. 90 Aber die Tatsache, dass die unterschiedlichen<br />

Vorstellungen vom Heiligen in der jeweiligen Anrede an ein<br />

(jeweils unterschiedlich imaginiertes) Heiliges einfach nebeneinander<br />

stehen, fällt in der Wahrnehmung der Akteure hinter dem Erleben zurück,<br />

dass es sich um eine gemeinsame Anrede an das höchste Wesen handelt, also<br />

einen gemeinsamen Transzendenzbezug. Durch diese gemeinsame Anrede<br />

ist stillschweigend mit gesetzt, dass es sich um ein und dieselbe transzendente<br />

Macht handelt, zu der man betet. Diese Gemeinsamkeit wird nun<br />

90 Die Transformation der Aussagen über Gott in Aussagen zu Gott durch die doxologische<br />

Redeweise ist für die theologische Reflexion eminent wichtig (vgl. Bernhardt: Absolutheitsanspruch<br />

238). Für die praktische Logik des Glaubens ist sie als solche eher zweitrangig.<br />

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