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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Drittens bedarf Reflexion des Bewusstseins. Dieses ist der Ort, an dem<br />

Freiheit gegenüber der Determinierung durch das gesellschaftliche „System“<br />

entsteht. Bewusstsein und folglich Bewusstmachung erhalten damit<br />

den Stellenwert eines archimedischen Punktes für das Verständnis religiöser<br />

und theologischer Akteure.<br />

Viertens konstituiert hier das Bewusstsein die Akteure, und zwar als<br />

„Subjekte“. In einem streng objektivistischen Ansatz kommen handelnde<br />

Menschen als Menschen nicht vor. Es erscheinen erst dort Subjekte – die<br />

ihre Objektivierung durch das System nicht mehr hinnehmen –, wenn sie<br />

aus der dem System eigenen Dialektik von Determination und Freiheit<br />

theoretisch hervorgebracht werden. Handeln kommt damit nicht von<br />

seinem konkreten Vollzug und seinen Kontexten her in den Blick. Vielmehr<br />

wird unterschieden zwischen einer Masse, die vollkommen vom<br />

System determiniert ist, und solchen Akteuren, die durch Reflexion Freiheit<br />

gegenüber der Determinierung errungen haben. Letztere sind dadurch<br />

zum „Subjekt“ geworden, welches seinen Willen gegen die Determinierung<br />

geltend macht. Radikaler Objektivismus läuft damit letztlich auf voluntaristischen<br />

Subjektivismus hinaus.<br />

Die subjektivistische Wissenschaftstradition behandelt die sozialen<br />

Beziehungen als Produkte freier Individuen.<br />

Kontexte entstehen in dieser Sichtweise durch intersubjektive Begegnungen,<br />

und zwar als situative Kontexte. Sei es phänomenologische Soziologie<br />

in der Tradition von Husserl und Schütz, sei es der ökonomische<br />

Modellmensch des rational choice oder sei es marxistischer Existentialismus<br />

auf der Linie von Sartre: Der Ausgangspunkt für die Entstehung von<br />

Kontext ist immer die voraussetzungsfreie Aktivität von individuellen oder<br />

auch kollektiven Subjekten, die sich zueinander in Beziehung setzen.<br />

Das subjektive Bewusstsein der Handelnden und seine Analyse ist der<br />

Ausgangspunkt der Sozialtheorie etwa bei Alfred Schütz. In direkter Linie<br />

phänomenologischer Soziologie schrieben Peter Berger und Thomas<br />

Luckmann ihr einflussreiches Frühwerk Die gesellschaftliche Konstruktion der<br />

Wirklichkeit. Auch hier nur eine Spitzenaussage: Aus der Intentionalität des<br />

Einzelbewusstseins in seiner Vis-a-vis-Beziehung zu anderen „Einzelbewusstseinen“<br />

geht die soziale Welt hervor. „Die Vis-a-vis-Situation ist der<br />

Prototyp aller gesellschaftlichen Interaktion. Jede andere Interaktionsform<br />

ist von ihr abgeleitet.“ (Berger/Luckmann: Konstruktion 31)<br />

Eine Variante subjektivistischer Sozialtheorie mit einer besonderen<br />

Betonung auf der subjektiven Rationalität liegt im homo oeconomicus des metho-<br />

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