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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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späten Auseinandersetzung mit dem Faschismus und der eigenen Einstimmung<br />

auf die Demokratie eine objektivistische Geschichtstheologie. (Maaser: Identität<br />

229 ff.) Diese sichert ihm, dem objektiv(istisch) analysierenden und theoretisierenden<br />

Theologen, durch die „geschichtstheologische Schau“ (230) einen Zuschauerplatz<br />

gegenüber jener Wirklichkeit, an deren Entstehen er jedoch selbst beteiligt<br />

war; die theoria entbindet ihn in klassischer Weise vom Blick auf seine subjektive<br />

und objektive Verwicklung in die Entstehung des Gegenstandes. In der „Schau“<br />

liegen die Geschehnisse der Vergangenheit und der Zukunft vor ihm, und er selbst<br />

– in Wirklichkeit Akteur während der vergangenen Naziherrschaft und der bundesrepublikanischen<br />

Zukunft – genießt das Privileg, aus dem Blickwinkel Gottes<br />

heraus urteilen zu können. Der Theologe objektiviert sich selbst weg von seiner<br />

eigenen <strong>Praxis</strong>, indem er das erkennende Subjekt Walther Künneth von dessen<br />

Geschichte und gesellschaftlicher Involviertheit abspaltet. Diese Logik der Abspaltung<br />

bestimmt auch die Grundopposition zwischen Christlichem und Dämonischem<br />

als geschichtstreibenden Mächten, die die materiale Geschichtstheologie<br />

strukturiert; und sie hilft, die damit einhergehende „Koinzidenz von Humanum<br />

und Christlichem“ (Maaser: Identität 235) als Gegenbegriff zum Dämonischen zu<br />

konstruieren. Es erübrigt sich fast zu erwähnen, dass auf der Seite des Dämonischen<br />

die Äquivalenzreihe „Hitler, Emporkömmling, Erzdilletant, Vermassung,<br />

Unaristokratisches, Plebejisches, Vulgäres, Inferiores, Schein-Elite, Entchristlichung,<br />

Säkularisierung, Liberalismus“ etc. zu verzeichnen ist, die auf der anderen<br />

Seite die entsprechenden Gegenbegriffe zu bilden erlaubt: „Christentum, nationale<br />

Gesinnung, wahre Elite, Ordnung“ etc. Künneth nimmt auf diese Weise implizit<br />

die Position der positiv bewerteten Äquivalenzklasse für sich ein und vollzieht so<br />

die auf dem wissenschaftstheoretischen Feld vollzogene Teilung des Raumes und<br />

Abspaltung der geschichtlichen Ereignisse vom eigenen Handeln vermittels einer<br />

entsprechenden Transformation auch auf dem Feld der materialen <strong>Theologie</strong>. 15<br />

Letztlich aber ist in dieser Grundstruktur der Ausgrenzung des Anderen der von<br />

Maaser aufgezeigte, durch Sozialisation erworbene und verhärtete Autoritarismus<br />

wirksam, der Anderem bzw. Fremdem eben nur mit Ausgrenzung begegnen kann<br />

und der damit dem Widerspruchsverbot, welches die logische Grundlage des<br />

objektivistischen Intellektualismus der Theorie darstellt, zu einer unverkennbaren<br />

15 Der objektivistischen Neigung der gesamten Theorie entsprechen in der materialen<br />

<strong>Theologie</strong> Sichtweisen politischer Prozesse, die den „geschichtlichen ‚Oberflächenerscheinungen‘<br />

einen naturwüchsig-mechanischen Status verleihen. Häufig ist die Rede vom<br />

‚Pendelschlag‘ der Geschichte, vom ‚Wettersturz‘, von Stürmen, Fluten und reißenden<br />

Sturzbächen“ (Maaser: Identität, 234). Und um nur ja den leisesten Anschein von eigener<br />

Verantwortung zu vermeiden greift Künneth für die „Interpretation der mentalen Innenseite<br />

jener Prozesse... auf das Reservoir medizinischer Metaphern zurück“ (ebd.): „moderne<br />

Weltkrankheiten“, Infektionen, Ansteckungsgefahr, Vergiftung konnotieren Allgegenwart<br />

der Gefahren – denen, so möchte ich folgern, nicht anders denn durch die Quarantäne,<br />

die Ausgrenzung der schon Angesteckten begegnet werden kann: mit dem bewährten<br />

autoritären Mittel der Ausgrenzung des Anderen also.<br />

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