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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Vermittlung zwischen gesellschaftlicher und symbolischer Struktur letztlich in<br />

einer, der Akteure nicht bedürfenden und dem Bewusstsein verborgenen „Tätigkeit<br />

des Geistes“, die sich de facto nicht zuletzt als eine „unbewußte Zweckmäßigkeit“<br />

78 darstellt. Diese wiederum produziert, nach der Interpretation Bourdieus,<br />

jene „vernünftigen und offenbar gewollten Hervorbringungen ohne Hervorbringer,<br />

die der Strukturalismus vorwies, indem er die gesellschaftlichen Bedingungen<br />

von Produktion, Reproduktion und Gebrauch symbolischer Objekte mit<br />

derselben Handbewegung verschwinden ließ, mit der er ihre immanente Logik<br />

aufzeigte.“ (Bourdieu: Sinn 76)<br />

Das Zaubermittel ist, nach Bourdieu, der Begriff des Unbewussten, der die<br />

Prinzipien der Wirksamkeit des Geistes der Erklärung entzieht und die Wirkungen<br />

anderer Faktoren ausschließt. Damit zerbricht, im Urteil Bourdieus, die ohne<br />

handelndes Subjekt konstruierte Beziehung zwischen <strong>Praxis</strong>, Struktur und Praktiken<br />

– auf die Lévi-Strauss jedenfalls in Das Wilde Denken Wert legt – vollends:<br />

„Unter der Maske eines radikalen Materialismus ist diese Philosophie der Natur<br />

eine Philosophie des Geistes, die auf eine Spielart des Idealismus hinausläuft“<br />

(Bourdieu: Sinn 77), und zwar auf einen Idealismus ohne Subjekt.<br />

Die Lösung des Problems kann nun nicht darin bestehen, nach Art des rationalistischen<br />

Subjektivismus das Subjekt zum allwissenden Gespenst seiner selbst zu<br />

machen; sie deutet sich vielmehr in Zugeständnissen von Lévi-Strauss selbst an.<br />

Diese laufen seinen prinzipiellen Positionen tendenziell zuwider: „Auch wenn wir<br />

nicht ausschließen wollen, daß die redenden Subjekte, die die Mythen hervorbringen<br />

und weitertragen, sich ihrer Struktur und Wirkungsweise bewusst zu<br />

werden vermögen, so kann dies doch nicht auf normale Weise geschehen, sondern<br />

höchstens auf partielle und sporadische.“ (Lévi-Strauss: Mythologica 25) Eine solche<br />

partielle und sporadische Bewusstwerdung geschieht etwa in der Manipulation des<br />

Schamanen an einem Mythos zum Zwecke seines medizinischen Gebrauchs bei<br />

einer schwierigen Entbindung (Lévi-Strauss: Anthropologie 204 ff., 220 f.). Die<br />

Bewusstwerdung und mit ihr die veränderte Form des Mythos erscheinen bei<br />

Lévi-Strauss aber lediglich als Ausnahme von der Regel der unbewussten Verwendung<br />

seiner „normalen“ Form, der objektiv festgelegten und in allen Teilen vollständigen<br />

Struktur des Dinges „Mythos“. Die Idee der Ausnahme von der Regel<br />

rettet so die Geschlossenheit und Objektivität der Struktur. Der Gebrauch, das<br />

heißt <strong>Praxis</strong>, bricht also auch bei Lévi-Strauss die artifizielle Ganzheit der unbewussten<br />

objektiven Strukturen des Geistes. Nur verbietet es die objektivistische<br />

Axiomatik dem Autor, die theoretischen Konsequenzen aus dieser Beobachtung<br />

zu ziehen. Lévi-Strauss kann seine Diktion nicht einfach dahingehend ändern, dass<br />

er schlicht von einer nur teilweisen Unbewusstheit und einer nur relativen Geschlos-<br />

78 Lévi-Strauss, in Gurvich W./E. Moore: La sociologie du XXe siécle. Paris: Presses Universitäires<br />

de France, 1947, Bd. II, 527, zit. nach Bourdieu: Sinn 76.<br />

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