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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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auf Zeichensysteme, deren Kommunikationsfunktion gerade in ihrer Systematizität<br />

und Objektivität begründet ist, kaum aufrechterhalten lässt.<br />

Mit Bourdieu sollte man meines Erachtens eher davon ausgehen, dass die<br />

Zeichensysteme als Deutungs- und Ausdrucksschemata homolog sind zu Handlungsschemata<br />

der entsprechenden Individuen, die allesamt sowohl durch die<br />

Relationen und Positionen des gesellschaftlichen Feldes bedingt als auch in der<br />

Dauer des Subjekts erfahren und geworden sind. Sinn wäre dann mit Schütz<br />

durchaus als Rückführung von Erfahrenem auf anderweitig Bekanntes zu verstehen;<br />

und Bedeutung könnte man als Verweisungsfunktion des Zeichens auf<br />

etwas Bezeichnetes auffassen. Aber weiterhin wäre objektiver Sinn von subjektivem<br />

Sinn hinsichtlich seiner Konstitution immer noch gut zu unterscheiden; nur<br />

dass unter dem Sinn der Zeichen ebenso wie unter dem Sinn des Handelns dann<br />

eine „gemeinsame Blickrichtung“ (Schütz: Aufbau 54) auf die Welt verstanden<br />

wird, die eine hinreichende Konsistenz für Wahrnehmung, Deutung und Handeln<br />

herstellt, welche den Verweis der Zeichenbedeutungen auf Bezeichnetes zu interpretieren<br />

erlaubt. Man kann also mit Ricoeur immer noch sagen, dass das Symbol<br />

sich im Spiel zwischen erstem Sinn und zweitem Sinn konstituiert; man kann aber<br />

die Vorstellung des Sinnes nicht mehr allein auf eine interne Zeichenrelation<br />

beziehen: Der Sinn und die Bedeutung von Zeichen und Symbolen hängen nicht<br />

nur am Zeichensystem, sondern auch an der gesellschaftlichen Position der durch<br />

sie Wahrnehmenden und Deutenden sowie am Gebrauch der Zeichen in diesem<br />

Rahmen. Damit ist Sprache nicht als Abbildungs- oder Ausdrucksmedium begriffen<br />

– eine Scheibe zwischen Subjekt und Welt gewissermassen, die entweder opak<br />

ist (Skeptizismus) oder transparent (Realismus). Wir fassen die Sprache vielmehr<br />

als ein Werkzeug auf, in dessen aktuelle Gestalt eine lange geschichtliche Erfahrung<br />

von Werkstoffbearbeitung eingegangen ist. Sinn entsteht im Gebrauch des<br />

Werkzeugs.<br />

Gebrauch: „‘Indem ich die Stange mit einem Hebel verbinde, setze ich die Bremse<br />

instand.‘ – Ja, gegeben den ganzen übrigen Mechanismus. Nur mit diesem ist er<br />

der Bremshebel; und losgelöst von einer Unterstützung ist er nicht einmal Hebel,<br />

sondern kann alles Mögliche sein, oder nichts.“ (Wittgenstein: Untersuchungen § 6)<br />

Nicht nur bei einer fremden Sprache, sondern auch (und gerade) in einer bekannten<br />

Kultur ist die „gemeinsame menschliche Handlungsweise ... das Bezugssystem,<br />

mittels dessen wir“ (Wittgenstein: Untersuchungen § 206) deuten, mittels dessen wir<br />

Sinn und Bedeutung der Wörter herstellen. „Menschliche Handlungsweise“ als<br />

Bezugssystem des Gebrauchs kann nicht auf Kognition beschränkt werden.<br />

Sprachspiele entsprechen den Lebensformen; sie sind ein „Komplex aus Sprache<br />

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