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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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nimmt eben keine Logik der <strong>Praxis</strong> wahr. Damit verkennt eine Widerspiegelungstheorie<br />

letztlich auch die gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse selbst. Sie ist<br />

nämlich nicht in der Lage, die Herrschaft der Verhältnisse über die geistigen<br />

Vorstellungen von den Verhältnissen wahrzunehmen und zu beschreiben, die ja<br />

gerade darin besteht, Herrschaft in Abrede zu stellen und im Bewusstsein des<br />

Knechtes die Vorstellung von Autonomie zu erzeugen. Und selbst wenn man ein<br />

„falsches Bewusstsein“ konstatiert, so ist dies doch zunächst nicht mehr als die<br />

negative Konsequenz der in der Widerspiegelungstheorie enthaltenen Auffassung,<br />

dass die geistigen Vorstellungen die materiellen Verhältnisse eben widerspiegeln<br />

müssten. Nun stecken aber auch hinter den „Charaktermasken“ 80 der Kapitalisten<br />

Menschen. Und wenn man sich an Marx‘ Frühschriften hält, sieht man, dass<br />

Bewusstsein von konkreten Menschen in konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen<br />

produziert wird: „Die Produktion der Ideen, Vorstellungen, des Bewußtseins<br />

ist zunächst unmittelbar verflochten in die materielle Tätigkeit und den materiellen<br />

Verkehr der Menschen, Sprache des wirklichen Lebens.“ (Marx/ Engels: Ideologie<br />

26) Und die sie produzierenden Menschen kann man eben nicht nur als „Gegenstand“<br />

auffassen, sondern muss sie im Hinblick auf ihre „sinnliche Tätigkeit“<br />

verstehen, und zwar in ihrem „gegebenen gesellschaftlichen Zusammenhange“<br />

und den „vorliegenden Lebensbedingungen“ (Marx/Engels: Ideologie 44).<br />

Wenn man sich also das von Lévi-Strauss formulierte Programm zu eigen<br />

machen will und sich anschickt „symbolische Systeme festzulegen, die der Sprache<br />

und den Beziehungen, die der Mensch mit der Welt unterhält, zugrundeliegen“<br />

(Lévi-Strauss: Anthropologie 111), kommt man nicht darum herum, auch die gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse zu berücksichtigen. Dies aber nicht nach Art der Widerspiegelungstheorie.<br />

Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, die Dispositionen<br />

der Akteure und ihre Verortung in der <strong>Praxis</strong> des tätigen Lebens im Blick auf<br />

Struktur und Wandel dieser Systeme mit zu bedenken. Die Akteure sind darin als<br />

gesellschaftliche Wesen aufzufassen und nicht als isolierte Individuen; aber sie sind<br />

nicht der anonymen Objektivität symbolischer oder gesellschaftlicher Systeme zu<br />

opfern.<br />

Subjektivismus: Die Idee der Hervorbringung der gesellschaftlichen Wirklichkeit<br />

aus der intersubjektiven Beziehung sowie die Frage nach den subjektiven Sinn-<br />

80 Marx geht es hier ja keineswegs um eine ontologische Aussage über den Menschen<br />

oder eine Wertung des Kapitalisten als Person, sondern um eine Bestimmung des Verhältnisses,<br />

unter dem sich die Teilhaber des ökonomischen Austauschprozesses „als Repräsentanten<br />

von Ware“ begegnen. Insofern sind die „ökonomischen Charaktermasken der<br />

Personen nur die Personifikationen der ökonomischen Verhältnisse..., als deren Träger sie<br />

sich gegenübertreten“. (Marx: Kapital 100) Vgl. auch: „Zur Klärung von Mißverständnissen<br />

ein Wort. Die Gestalten von Kapitalist und Grundeigentümer zeichne ich keineswegs in<br />

einem rosigen Licht. Aber es handelt sich hier um die Personen nur, soweit sie die Personifikation<br />

ökonomischer Kategorien sind, Träger von bestimmten Klassenverhältnissen und<br />

Interessen.“ (Marx: Kapital 16)<br />

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