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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Das Vokabular der Kontextualisierung ist substanzontologisch. Das Evangelium<br />

hat einen „Kern“ oder ist selbst der „Kern“ christlichen Glaubens<br />

und Bekenntnisses. Dieser wird zwar „im Gewande der kulturellen Überlieferungen<br />

weitergegeben“ (Pannenberg: Inkulturation 152) – aber eben als<br />

ein in sich ruhender Kern in einer ihm fremden Hülle. Ein solcher „Kern“<br />

wird im Allgemeinen als eine Art Substanz verstanden; man schreibt ihm<br />

ein unveränderliches „Wesen“ sowie akzidentelle Eigenschaften zu. 45 Diese<br />

metaphysische Sprachtradition ist in Europa auch in der Alltagssprache tief<br />

verankert. Sie vollzieht den Übergang vom grammatischen Subjekt zur<br />

ontologischen Substanz, so als gäbe es nichts Selbstverständlicheres. Und<br />

damit eignet sie sich vorzüglich dazu, hinter den Worten, Handlungen und<br />

Dingen Anderes, Tieferes, ihr „Wesen“ zu postulieren. Denkt man in<br />

diesem Vokabular, wird man vermutlich annehmen, dass so etwas wie ein<br />

„innerster Wesenskern“ des Evangeliums existiere, an den sich im Prozeß<br />

der Kontextualisierung kulturelle Akzidenzien anheften.<br />

Damit ist der substanzontologisch unterlegte Begriff der Kontextualisierung<br />

in doppelter Weise einem obsoleten Vokabular verpflichtet. Erstens<br />

setzt er implizit immer noch voraus, Mission sei eine „Einbahnstraße“<br />

zwischen Sendern und Empfängern – eine Vorstellung, die weit an der<br />

Wirklichkeit der einheimischen Kirchen in der Dritten Welt und der dortigen<br />

<strong>Theologie</strong>produktion vorbeigeht. Zweitens verkennt er die historische<br />

Dimension der Schrifthermeneutik. Was soll denn der „Kern“ sein? Dies<br />

selbst wird doch faktisch in immer neuen Auseinandersetzungen fortwährend<br />

neu festgelegt – und zwar in immer neuen Kontexten und unter<br />

deren wechselnden Bedingungen. Der Begriff der Kontextualisierung ist<br />

eine obsolete Vokabel. Er trägt eher zur Verwirrung als zur Klärung bei.<br />

4. Zwischenbilanz: Probleme und Perspektiven<br />

Zunächst fällt auf, dass die meisten beobachteten Probleme nicht material<br />

theologisch sind, sondern eher auf der Ebene der impliziten Axiome<br />

theologischen Denkens liegen. Ich werde sie auch so behandeln und eigene<br />

Vorschläge vor allem auf dieser Ebene formulieren.<br />

45 Bertsch: <strong>Theologie</strong>n 12 f., weist darauf hin, dass diese Auffassung allenfalls eine Vulgärrezeption<br />

des aristotelischen Hylemorphismus ist.<br />

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