02.12.2012 Aufrufe

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

gisch über die Pneumatologie: „Auch ich bin manchmal befremdet... Aber<br />

der Heilige Geist ist in allen Religionen gegenwärtig“, sagt sie in der Predigt.<br />

Sie und ihre Gemeindeglieder haben so eine neue Möglichkeit gewonnen,<br />

ihre Erfahrungen der Befremdung zu verarbeiten. Die objektive<br />

Angepasstheit der Dispositionen von Pfarrerin und Gemeinde ist hier die<br />

Grundlage für die Einführung einer neuen Orientierung, welche Chancen<br />

hat, sich als Disposition abzulagern. Das Teilen des Kontexts führt zu<br />

derselben Befremdung. Die theologische Arbeit an diesem Problem führt<br />

zu einem neuen Urteil über die Erfahrung. Die Gegenprobe: ein Professor<br />

aus einer <strong>Universität</strong>sstadt, der das „Ausländerproblem“ nicht aus der<br />

nachbarschaftlichen Nähe kennt, hätte wahrscheinlich schon das Befremden<br />

nicht mit vollziehen können.<br />

Theologische Positionen sind keine von lebendigen Menschen losgelöste<br />

Abstracta. Sogar die Verbindung von Kognition, Affekt und Leib spielt<br />

eine wichtige Rolle. Sie mag aus einer intellektualistischen Perspektive für<br />

die <strong>Theologie</strong> irrelevant erscheinen, ihre Bedeutung ist allerdings heute<br />

kaum mehr von der Hand zu weisen. Betrachtet man etwa theologische<br />

Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus, so wird man feststellen,<br />

dass sie oft nicht kühl und distanziert, sondern durchaus mit Abscheu<br />

und Grauen vor den Taten der Nazis geführt worden sind; selbst<br />

eine Position wie die oben analysierte von Walter Künneth kann schlecht<br />

als intellektuell distanziert bezeichnet werden. Letzte Zweifel an der Bedeutung<br />

von Leib und Affekt für theologische Positionen werden heute<br />

von der feministischen <strong>Theologie</strong> zerstreut. Begreift man aber kognitive<br />

Dispositionen des Habitus als affektiv und leiblich verankert, so eröffnen<br />

sich für die theologische Analyse und Konstruktion neue Möglichkeiten,<br />

Leib, Gefühl und Vernunft miteinander zu verbinden. 163<br />

Damit ist es allerdings noch nicht getan. Ein ganzheitlicher Zugang in<br />

der <strong>Theologie</strong> muss vor allem berücksichtigen, dass sich leibliche, affektive<br />

und rationale Existenz von Menschen in gesellschaftlichen Zusammenhängen<br />

ereignet. Damit ist auch Kritikfähigkeit von <strong>Theologie</strong> gefordert.<br />

Objektive Adäquatheit der Dispositionen des Habitus zu einer gesellschaftlichen<br />

oder theologischen Position eliminiert nicht per se die theologische<br />

Kritik. Dies insbesondere dann nicht, wenn normative Bezüge<br />

außerhalb des praktischen Kontextes existieren.<br />

163 Dieser wichtige Aspekt eines praxeologischen Ansatzes kann hier freilich nicht weiter<br />

ausgearbeitet werden. Vgl. unten, S. 229, einige Notizen.<br />

195

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!