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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Aus dieser Trennung von Religion und Gesellschaft jedenfalls geht<br />

dann auch die Auffassung hervor, Religionen seien institutionalisierte<br />

kirchliche Systeme mit offiziellen und in sich geschlossenen Lehren, von<br />

denen „Eindeutigkeit“ (Matthes: Religionen 24 ff.) erwartet werden kann.<br />

Ein solcher Ansatz richtet sich somit eher auf religiöse Expertensysteme,<br />

die mit Anspruch auf Geschlossenheit auftreten. Dagegen besteht im Blick<br />

auf offene, von Strategien der Lebensbewältigung her entworfene religiöse<br />

Alltagslogiken ein negatives Vorurteil; dies insbesondere dann, wenn die<br />

jeweilige religiöse <strong>Praxis</strong> Elemente aus unterschiedlichen religiösen Traditionen<br />

integriert. Der Synkretismusverdacht gegen Andere – wenn etwa<br />

pfingstliche Christen in Guatemala einen indigenen Schamanen aufsuchen<br />

– lässt, wie die Synkretismusdebatte insgesamt, nicht so sehr ein Problem<br />

von Religion überhaupt, von christlichen Traditionen oder von den Gläubigen<br />

erkennen. Vielmehr offenbart sie eine von der Logik des Wissenschaftsfeldes<br />

und der institutionalisierten Kirchlichkeit bestimmte Axiomatik<br />

der Forschung: Trennung von (wahrer) Religion und Kultur, oder<br />

anders: das Postulat der „Reinheit der Religion“ 27 .<br />

4. Religion als <strong>Praxis</strong><br />

Aus praxeologischer Sicht wird Religion als ein Modus von <strong>Praxis</strong> verstanden.<br />

Sie gehört damit zu Kultur und Gesellschaft. Religiöse Zeichensysteme<br />

zählen somit zur menschlichen <strong>Praxis</strong>: Sie sind eine spezifische<br />

Art und Weise, die Welt zu interpretieren, sich selbst in ihr zu situieren<br />

und in ihr zu leben. Religion ist eine <strong>Praxis</strong>form, eine Art und Weise, in der<br />

wirkliche Menschen wirklich leben. „Ihr Dreh- und Angelpunkt“ ist – um<br />

mit William James zu reden – „das Interesse des einzelnen an seiner persönlichen<br />

Bestimmung...“ (James: Vielfalt 478), so jedenfalls in psychologischer<br />

Perspektive. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht könnte man noch<br />

hinzufügen, dass Religionen die kognitive und affektive Harmonie zwischen<br />

„Stimmungen“ und erfahrener „Wirklichkeit“ (Geertz) durch einen<br />

kollektiven Bezug auf metagesellschaftliche, allgemeine Seinsordnungen<br />

herstellen.<br />

27 So Hermann Siller: Synkretismus 3, zu Visser t‘ Hoofts und Krämers Auffassungen zum<br />

Synkretismus. Das Synkretismus-Problem offenbart nach Siller „eine ungeheure kulturelle<br />

Ahnungslosigkeit des europäischen Christentums“, die nicht nur im Streben nach „reiner“<br />

(aber europäischer) <strong>Theologie</strong> sondern auch in der naiven Kulturromantik einer kritiklosen<br />

Wendung auf lateinamerikanische und afrikanische Religion und <strong>Theologie</strong> zu finden ist.<br />

Siller (Hg.): Suchbewegungen VIII.<br />

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