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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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praktischen Logik beschreibt, die ausgehend von spezifischer religiöser<br />

Nachfrage rekonstruiert werden, kann man mit diesem Modell fremde<br />

religiöse <strong>Praxis</strong> von den Bedürfnissen der Akteure her beschreiben und so<br />

(jedenfalls besser als mit anderen Methoden, die ich kenne) mit „deren<br />

Augen sehen“. Natürlich bedarf auch ein solches Beschreibungsmodell der<br />

Korrektur durch den Dialog mit den Beschriebenen. 89 Es hilft überdies,<br />

auch Geltungs- oder Absolutheitsansprüche von religiösen Akteuren als<br />

Teil einer praktischen Logik unter den Dynamiken von Kapitalverteilung<br />

und Strategien zu begreifen. Zudem ist das Modell des Netzwerks ein<br />

offenes Modell, welches auch die Widersprüche und Unstimmigkeiten<br />

praktischer Logik zu beschreiben erlaubt und ihren Funktionen gerecht<br />

wird.<br />

Selbstverständlich lässt sich auch der Anspruch von Religion, auf das<br />

„Ganze“, auf die „allgemeine Seinsordnung“ zu verweisen, als kognitive<br />

und affektive Disposition im Zusammenhang eines solchen Netzwerks<br />

beschreiben. Damit wird dann auf eine radikale Weise deutlich, dass dieser<br />

Anspruch religiös notwendig ist – als Operator einer religiösen praktischen<br />

Logik, Konstante religiöser Identität und Element religiöser Strategien.<br />

Das religiöse Universale ist somit aus praxeologischer Sicht begriffen als<br />

ein praktisches Ganzes, ein Sinnganzes interpretiert. In einer religiös pluralen<br />

Welt können so die auf das Allumfassende gerichteten Diskurse verschiedenster<br />

Religionen als Identitätsmerkmale und Strategieelemente<br />

zueinander in Beziehung gesetzt werden. Sie werden also im Kontext<br />

gesehen.<br />

In diesem Sinne fördert das praxeologische Netzwerk-Modell auch die<br />

religionsvergleichende Forschung und den interreligiösen Dialog auf eine<br />

spezifische Weise. Es erlaubt durch die Konstruktion von Netzwerken<br />

religiöser Dispositionen verschiedener Religionen, zwischen den Netzen zu<br />

vergleichen; und zwar nicht einfach im Blick auf Strukturhomologien<br />

zwischen Zeichen, sondern zwischen Logiken religiöser <strong>Praxis</strong>.<br />

89 Ich habe ein solches Modell Mitte der achtziger Jahre an der religiösen <strong>Praxis</strong> von<br />

Pfingstkirchen in Mittelamerika entwickelt. In späteren Jahren habe ich dann mit einer<br />

großen Zahl von Pastoren dieser Kirchen anhand des Modells und mit dessen Ergebnissen<br />

in der theologischen Ausbildung gearbeitet. Die überwältigende Mehrheit von ihnen fühlte<br />

sich gut verstanden – meist sogar besser, als sie ihre eigene <strong>Praxis</strong> zuvor selbst verstanden<br />

hatten (was ja nicht verwundert, da das Modell implizite Axiome ans Licht bringt).<br />

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