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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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tusstrukturen sowie im Blick auf die semantischen Möglichkeiten des<br />

„Textes“ (Geschriebenes, Kunstobjekte, Praktiken) immer neuen Sinn zu<br />

produzieren.<br />

Das Entscheidende ist, dass der Sinn, der sich aus dem Gebrauch der<br />

religiösen Zeichen im Zusammenhang der weiteren praktischen Logik<br />

ergibt, den Anforderungen gesellschaftlicher <strong>Praxis</strong> genügt. Dieses Genügen<br />

meint nicht, dass die religiösen Symbolsysteme die Strukturen des sozialen<br />

Klassenhabitus und die entsprechenden Interessen religiös lediglich reproduzieren<br />

(oder gar widerspiegeln). Religion hat eine andere Form, den<br />

Erfordernissen gesellschaftlicher <strong>Praxis</strong> zu genügen. Religiöse Praxen sind<br />

gerade durch ihre Distanz zu anderen gesellschaftlichen <strong>Praxis</strong>feldern und<br />

ihre Referenz auf religiöse Tradition in besonderer Weise dazu geeignet,<br />

die Problemstellungen jener Felder aufzunehmen und sie vermittels der<br />

sinnerzeugenden Arbeit von Spezialisten und Laien umzuwandeln. Damit<br />

erzeugen sie aus der Distanz veränderte, aber gerade so praxisrelevante<br />

Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsdispositionen. Indem Religion<br />

festgefahrene gesellschaftliche Problemstellungen aus einer anderen Warte<br />

in den Blick nimmt, kann sie leichter neue Lösungswege entwerfen.<br />

Religiöser Sinn erzeugt gesellschaftlich relevante Handlungskompetenz,<br />

wenn mindestens zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens müssen die<br />

praktischen Logiken relevante gesellschaftliche und religiöse Problemfelder<br />

und Sinn-Nachfragen aufgreifen. Zweitens müssen sie dies so leisten, dass<br />

die entsprechende religiöse <strong>Praxis</strong> genügend eigenes Profil hat, um sich<br />

von der restlichen Gesellschaft zu unterscheiden und so Distanz zu garantieren.<br />

Durch diese Mischung von Nähe und Distanz kann religiöser Sinn<br />

den Erfordernissen gesellschaftlicher <strong>Praxis</strong> auf religiöse Weise genügen<br />

und spezifisch religiöse Handlungskompetenz religiöser Akteure erzeugen,<br />

indem die Habitus der Akteure entsprechend gestaltet werden.<br />

In religiösen Habitus inkorporieren sich religiöse Zeichensysteme und<br />

Praktiken durch dauerhaften Gebrauch. Sie werden Teil des Netzwerks der<br />

kognitiven, affektiven und leiblichen Dispositionen religiöser Akteure. So<br />

funktionieren sie als Operatoren der praktischen Logik dieser Akteure im<br />

religiösen Feld und, in übertragener Weise, auch in anderen Feldern. Im<br />

Rahmen der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen können diese zu<br />

Dispositionen geronnenen Zeichen und Praktiken schließlich auch als<br />

religiöses oder kulturelles Kapital eingesetzt werden und andere Kapitalformen<br />

wie politisches oder ökonomisches, zumeist aber symbolisches<br />

Kapital, erzeugen.<br />

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