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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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me Unterbrechung. (Jüngel: Wahrheitserfahrung 103 ff.) Unterbrechen kann<br />

man aber nur etwas, was schon da ist; und man kann es nur so tun, dass<br />

die Unterbrechung auch als solche wahrgenommen wird – also nicht durch<br />

absolute Negation des Bestehenden, sondern durch kritischen Bezug zu<br />

ihm. Im Unterschied zum Alten und Gewohnten und in seiner Umgestaltung,<br />

eröffnet das Evangelium neue Möglichkeiten.<br />

Für den praxeologischen Gebrauch der Konzepte des Symbols und<br />

der Metapher ist entscheidend, dass die von diesen Konzepten bezeichnete<br />

Operationsweise der praktischen Logik durch Verbindung unterschiedlicher<br />

<strong>Praxis</strong>felder in Sprache und Denken Neu-Beschreibungen von <strong>Praxis</strong> und<br />

damit auch Neukonzeption von Handeln erschließt. 145 Diese Neu-Beschreibungen<br />

bestehen nicht darin, dass sie den Akteuren ein besonders<br />

genaues Abbild der Welt „da draußen“ vermitteln. Sie ermöglichen den<br />

Akteuren unter dem Druck praktischer Anforderungen sinnvoll wahrzunehmen,<br />

zu klassifizieren und zu handeln. Der im doppelten Sinne<br />

praktische „Kategorienfehler“ 146 , dessen sich die Metapher bedient, bringt<br />

durch die sprachliche (oder anders zeichenhafte) Verbindung verschiedener<br />

<strong>Praxis</strong>felder neue praktische Möglichkeiten hervor: Legitimität, Mobilisierung,<br />

Macht oder auch nur Überlebensfähigkeit. Offenbarung bringt<br />

eben nicht nur neue Kenntnisse hervor – dies vielleicht am allerwenigsten<br />

–, sondern neues Leben, neue Möglichkeiten.<br />

Aus praxeologischer Sicht sitzen auch Theologen nicht einfach nur da,<br />

kontemplieren, lassen die Metaphern arbeiten und den Seinsgewinn sich<br />

145 Außerdem sollte man auch berücksichtigen, dass Symbole und Metaphern nicht nur<br />

Neues produzieren oder selbst neu sind. Sie veralten auch. Mit Ricoeur kann man vielmehr<br />

die „Leistungsfähigkeit von Symbolen“ in drei Gruppen zu unterscheiden: „sedimentierte<br />

Symbolik: Symbolgeröll, stereotyp und zerfallen..., im Gebrauch befindliche, nützliche und<br />

benützte Symbole... (und) schließlich die prospektiven Symbole; es sind Sinnschöpfungen,<br />

welche, indem sie die traditionellen Symbole mit ihrer verfügbaren Polysemie aufgreifen,<br />

neue Bedeutungen fördern.“ (Ricoeur: Interpretation 516) Dabei kann die positive Wertung<br />

nicht bedingungslos auf den neuen Sinnschöpfungen liegen, denn in traditionalen Gesellschaften,<br />

die keiner irgendwie gearteten Krise ausgesetzt sind, besteht kein Grund (außer<br />

der Lust am Fabulieren) auf „prospektive“ Symbole und Metaphern den Ton zu legen; und<br />

unter den Bedingungen der kulturell durchgesetzten Fremdherrschaft gegen traditionale<br />

Gesellschaften kann gerade die Rückbesinnung auf „sedimentierte“ Metaphorik die Form<br />

einer kreativen Reaktion sein – wobei allerdings die gegenüber einer veränderten Lage<br />

mobilisierte sedimentierte Metaphorik selbst ja wieder neuen, nicht einfach traditionellen<br />

Sinn hervorbringt.<br />

146 Vgl. Ricoeur: Metapher 48, mit Verweis auf Ryle und sein Konzept des logischen<br />

category mistake, der Verwechslung von Ebenen. Zum Kategorienfehler in der politischen<br />

Metaphorik Bourdieu: Raum 39.<br />

181

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