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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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archisch“ anmutenden traditionalen Gesellschaften hat mit Herrschaft zu<br />

tun. Und Anerkennung, Gefolgschaft und damit Herrschaft entwickeln<br />

sich schon aus der bloßen Differenz zwischen unterschiedlichen praktischen<br />

Fähigkeiten verschiedener Akteure. Die Idee einer herrschaftsfreien<br />

Gesellschaft ist folglich wenig sinnvoll. Eine ganz andere Sache ist die<br />

Frage nach unterschiedlichen Formen von Herrschaft und Machtausübung<br />

sowie nach deren Legitimität und Wünschbarkeit. Hier gilt es, analytisch<br />

genau zu sein und ethisch konsequent. Das praxeologische Vokabular<br />

verhilft zu einer hohen analytischen Wahrnehmungsfähigkeit und Genauigkeit<br />

gerade dadurch, dass es Macht- und Herrschaftsverhältnisse sogar<br />

dort erkennbar macht, wo man sie nicht unbedingt vermutet hätte: schon<br />

in den Orientierungen und Begrenzungen der Dispositionen von allen<br />

Menschen und ihren praktischen Verhaltensweisen, die sich objektiv<br />

angepasst (sei es kritisch oder affirmativ) verhalten zur objektiven Verteilung<br />

von Gütern, Chancen und Einflussmöglichkeiten. Sie zeigt, wie<br />

sogar der gute Wille am Vollbringen gehindert wird, weil er sich keine<br />

anderen Wege vorstellen kann als die beschränkten, die er kennt.<br />

Güter, Wissen usw. sind in <strong>Praxis</strong>feldern einfach da und werden für<br />

etwas eingesetzt. Die Wirkungsweise von Kapital gehört somit zu den<br />

selbstverständlichen Handlungsbedingungen jeder <strong>Praxis</strong>, auch der <strong>Theologie</strong>.<br />

Kirche und <strong>Theologie</strong> stehen der Gesellschaft nicht gegenüber (etwa<br />

als unterschiedene Substanzen). Sie sind selbst Gesellschaft und Kultur in<br />

bestimmter Hinsicht. Es bedarf deshalb keines Entschlusses, sich zu<br />

involvieren. Man ist immer schon involviert und interessiert. Folglich kann<br />

man nur über die Art des Involviertseins entscheiden. Implizite Vorentscheidungen<br />

in dieser Hinsicht, werden bereits durch die Unterscheidungen<br />

gefällt, die der Habitus stillschweigend setzt. Um die Existenz verschiedener<br />

Kapitalsorten und ihrer Wirkung, die Bedingungen ihres Einsatzes<br />

und die Grenzen ihres Nutzens ist in den Dispositionen der Akteure<br />

bereits ein stilles Wissen inkorporiert. Das heißt, die potentielle „Kapitalförmigkeit“<br />

von Wissen und Dingen bestimmt auf doppelte Weise auch<br />

die <strong>Theologie</strong>: gewissermaßen von innen heraus als Dispositionen der<br />

Theologen und Theologinnen, und von außen her als die zwischenmenschlichen<br />

und institutionellen Bedingungen, unter denen geredet und gehandelt<br />

werden muss. Jesus war ein Meister im Spiel dieser Kräfte. Er<br />

brachte religiöses Kapital ein – sein Wissen –, um symbolisches zu erwerben<br />

(Lukas 4, 22): die Anerkennung, die ihm entgegengebracht wurde und<br />

die zur Mobilisierung der Massen führte. Aber er nutzte es nicht zum<br />

Machtgewinn (Lukas 4, 28). Um so handeln und <strong>Theologie</strong> treiben zu<br />

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