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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Gewichtiger als das Ideologieproblem scheint mir für unseren Zusammenhang<br />

jedoch die erkenntnistheoretische Seite der substanzialistischen<br />

Position zu sein. Die Naturalisierung des Gesellschaftlichen, die Vergöttlichung<br />

des Religiösen und Theologischen sowie der Vernunft – qua ‚Begründung‘<br />

im Absoluten –, der Schritt vom Substantiv zur Substanz, erscheinen<br />

natürlich nur aus einer der kantischen Tradition nahestehenden Perspektive<br />

als nachträgliche Operationen. Für den Substanzialismus selbst (ob<br />

rationalistisch oder nicht) zeigt sich hier vielmehr die im Wesen der Dinge<br />

angelegte, letztendliche Übereinstimmung zwischen ewigen Vernunft- und<br />

zufälligen Tatsachenwahrheiten – natürlich zugunsten der ewigen Vernunftwahrheiten.<br />

Nach dieser Ansicht sind das „Wesen“ der Dinge und<br />

das „Wesen“ Gottes somit der reinen Vernunfterkenntnis zugänglich, wie<br />

man Wagners eigenem Entwurf deutlich entnehmen kann. 50 Dieser Rationalismus<br />

kann als Schutzfunktion gegen Interferenzen aus nicht-wissenschaftlicher<br />

<strong>Praxis</strong> verstanden werden. 51 <strong>Praxis</strong> ist allenfalls (wenn überhaupt)<br />

in sofern relevant, als sie das Material für Begriffe der rationalen<br />

Reflexion liefert. Ansonsten wird sie am Diktat formal logischer Widerspruchslosigkeit<br />

auf Wahrheit und damit auf Relevanz für die rationale<br />

Eroberung des wahren Wesens der Dinge geprüft. Dem entspricht im<br />

objektivistischen Lager ein prononcierter Intellektualismus. Im subjektivistischen<br />

Lager verschanzt sich die Wesenswissenschaft eher im (inkommunikablen)<br />

religiösen Gefühl und dem subjektiven Bewusstsein der<br />

Abhängigkeit vom Absoluten, ohne dabei zu bedenken, dass diese Selbstauffassung<br />

schon Resultat vorgängiger praktischer Prägungen ist. <strong>Praxis</strong><br />

kommt allenfalls (wenn überhaupt) in sofern vor, als sie das Erfahrungsmaterial<br />

(Ängste, Staunen etc.) liefert, aus dem das religiöse Gefühl und<br />

dann auch die intuitive Wesensschau entstehen. Auf der einen Seite steht<br />

also die objektivistische Logifizierung der <strong>Praxis</strong> zugunsten ihrer Übereinstimmung<br />

mit wissenschaftlichen Theorien; auf der anderen die subjekti-<br />

50 Vgl. Wagner: Religion 570 ff. Bei Wagner scheint es so, dass die Vernunft einfach<br />

aufgrund ihrer Reflexion einen direkten Einblick in das ‚Wesen der Sache‘ bekommt, ohne<br />

dafür auf Erfahrung zu rekurrieren. Man fühlt sich an den thomistischen intellectus agens<br />

erinnert; es gilt ja bekanntlich „nihil in mente quod non fuerit in sensu“, aber mit dem<br />

Zusatz „nisi ipse intellectus“. Zur thomistischen Uminterpretation der peripathetischen<br />

Orientierung an der sinnlichen Wahrnehmung vgl. Kennedy: Thomism.<br />

51 In diesem Sinne stellt der eher implizite Substanzialismus heute noch, neben dem<br />

logischen Positivismus, eine starke Bastion logizistischer Wissenschaftsauffassung dar:<br />

Wissenschaft entwickelt sich qualitativ nach dieser Auffassung allenfalls aufgrund wissenschaftsinterner,<br />

nicht aber aufgrund -externer Einflüsse. Vgl. McMullin: Wissenschaft 749.<br />

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