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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Die Diskurse interpretieren die Verhältnisse. Sie verbinden (mittels der<br />

metaphorischen Arbeit der Sprache, kann man mit Ricoeur ergänzen)<br />

verschiedene <strong>Praxis</strong>felder und Logiken miteinander, schaffen neue Möglichkeiten<br />

und verschließen andere. Zeichen repräsentieren nicht in erster<br />

Linie etwas Drittes. Sie sind vor allem Operatoren in dem Sinne, dass sie<br />

im Gebrauch soziale Resultate hervorbringen; sie verändern. Erst in diesem<br />

Rahmen kommt ihre Repräsentationsfunktion in den Blick. Und nicht<br />

nur sprachliche Äußerungen und Handlungen haben Zeichenfunktion;<br />

auch materielle Güter nehmen als Zeichen der gesellschaftlichen Distinktionen<br />

teil an den Auseinandersetzungen um die allgemein für wahr gehaltenen<br />

Interpretationen der Welt. Die Konflikte um die „Welt“, ihre Chancen,<br />

ihre Güter und ihre legitime Interpretation, entscheiden sich zu einem<br />

sehr großen Teil an der Vorstellung, die man sich von ihr macht.<br />

Praxeologie ist reflexiv. Das Vokabular verhilft dazu, offene Modelle der<br />

Wirklichkeit zu konstruieren und deren Modellcharakter im Bewusstsein<br />

zu halten. Dabei gilt Kants „Als-Ob“, wenn auch in veränderter Weise:<br />

Alle sozialen und religiösen Prozesse, von denen hier die Rede ist, geschehen<br />

so, als ob die durch das praxeologische Vokabular beschriebenen<br />

Mechanismen wirklich wären; mehr nicht. Die Theorie fungiert so als ein<br />

Set „regulativer Prinzipien der systematischen Einheit des Mannigfaltigen<br />

der empirischen Erkenntnis“ (Kant: KrV B 699), das heißt hier: zum<br />

systematischen Verstehen der gesellschaftlichen Prozesse. Sie unterliegt<br />

dabei selbst den Orientierungen und Begrenzungen, die ihr durch das<br />

wissenschaftliche <strong>Praxis</strong>feld auferlegt werden; und diese wiederum sind im<br />

gesellschaftlich generierten (wissenschaftlichen) Habitus als implizite<br />

Dispositionen der Wahrnehmung, des Urteilens und des Handelns (in<br />

diesem Falle: Beschreibens) vorgegeben. Man kann so vermeiden, die<br />

Konzepte für das Sein selbst zu halten anstatt sie als regulative Prinzipien<br />

zu nutzen. Das heißt nicht, dass man auf die Bemühung um Sachhaltigkeit<br />

der Analysen und den Anspruch auf Geltung der Ergebnisse verzichtet, im<br />

Gegenteil: Gerade dadurch, dass das praxeologische Vokabular sich gut<br />

eignet, die eigene wissenschaftliche Produktion einer kritischen Reflexion<br />

zu unterziehen und sich selbst zu relativieren, kann es einen gewissen Grad<br />

an Objektivität erreichen: eine relative Objektivität.<br />

Die Relativität der Ergebnisse und der Prozesse, die zu ihnen geführt<br />

haben, sowie die Selbstdistanz der Theorie laufen auf eine dialogische<br />

Haltung hinaus. Die Ergebnisse von Beschreibungen sind nichts, ohne zu<br />

einem erneuten Eintreten in die praktischen Beziehungen zu führen, was<br />

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