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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Christus 96 oder über die Pneumatologie. Tillich (<strong>Theologie</strong>) jedenfalls beantwortet<br />

die Frage nach der Unzweideutigkeit des Lebens theologisch partikular,<br />

also vom Glauben her, und nicht philosophisch universal: Er verweist<br />

auf den Heiligen Geist, das Reich Gottes und das Ewige Leben. Sein<br />

Argument arbeitet also mit spezifisch christlichen Inhalten, die allerdings<br />

alle eschatologischen Typs sind und damit auch nach christlichem Verständnis<br />

der Beobachtung durch die Vernunft nicht frei verfügbar sind.<br />

Der Operationsweise nach ist Tillichs Argument einfach die Behauptung<br />

einer partikularen Sichtweise ohne den Versuch einer aufs Universale<br />

zielenden Begründung. Somit läuft die von diesem Vertreter christlicher<br />

Religion behauptete Existenz und Relevanz des Absoluten hinaus auf eine<br />

Relativierung aller Positionen, auch der eigenen. Tillich zeigt auf diese Weise,<br />

dass der Verweis auf das wirklich Absolute nur dann ernst gemeint ist,<br />

wenn er auch die eigene Position relativiert.<br />

Insbesondere die Redefigur „Heiliger Geist“ ist ein inhaltlicher Operator,<br />

der stark relativierende Funktion haben kann, da er mit einer Referenz<br />

auf Gott selbst arbeitet. Der Heilige Geist kann nur dann als Gott betrachtet<br />

werden und Absolutheit genießen, wenn der Mensch Mensch bleibt<br />

und somit relativ gegenüber Gott und gegenüber allen anderen Menschen<br />

bleibt. Der Geist ist gerade nicht eine historisch-konkrete Gestalt wie Jesus<br />

von Nazareth, die de facto die Funktion eines Religionsstifters bekommen<br />

kann. Der Geist ist sozusagen der flüchtige, unberechenbare „Anteil“ des<br />

christlichen Gottes, der eben dort weht, wo er will. Allerdings kann der<br />

religiöse Operator „Heiliger Geist“ durch eine exklusive, charismatische<br />

Identifikation mit der eigenen Position eines Akteurs auch Fundamentalismus<br />

erzeugen. 97 Welche praktische Logikfigur sich durchsetzt, hängt von<br />

der jeweils dominanten religiösen Nachfrage ab und ist Gegenstand der<br />

Auseinandersetzungen im religiösen Feld. In diesem Zusammenhang<br />

kommt allerdings ein prinzipieller Unterschied zwischen beiden Verwendungen<br />

des Operators „Geist“ zum Tragen. Die fundamentalistische<br />

Verwendung löst die kategoriale Differenz zwischen Mensch und Gott auf<br />

durch die Identifizierung des Eigenen mit dem Göttlichen. Damit zerstört<br />

sie die praktisch-logische Grundlage von Religion überhaupt, die eben<br />

gerade darin besteht, dass Religion auf eine meta-menschliche Größe<br />

96 Vgl. etwa den exzellenten Aufsatz von Ulrike Link-Wieczorek: Christus.<br />

97 Ähnlich wie die Schrift bei biblizistischen Fundamentalisten der zentrale Operator der<br />

eigenen Absolutsetzung ist, fungiert der Heilige Geist bei charismatischen Fundamentalisten.<br />

Vgl. Schäfer: Fundamentalism und Power.<br />

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