02.12.2012 Aufrufe

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Dass man mit einer – ebenfalls auf Greimas zurückgehenden – aktantiellen<br />

Strukturanalyse zu einem anderen Ergebnis kommt (vgl. Fuchs: Sprechen 300 ff.),<br />

scheint mir keineswegs zwingend. Es ist nicht ersichtlich, warum Fuchs (303) in<br />

der Strukturliste bei Vers 24 einen Adressatenwechsel vornimmt, so dass plötzlich<br />

nicht mehr die Jünger, sondern die Nicht-Jünger (Minus-Adressaten) die Angeredeten<br />

sind. Folgte er der Isotopie des Textes, so müsste er die Jünger auf die Seite<br />

des Minus-Adressaten nehmen und könnte damit einen Bedeutungseffekt rekonstruieren,<br />

der die reichen Christen der lukanischen Gemeinden vermutlich hat<br />

aufhorchen lassen. Auch ergäben sich dann nicht die Erklärungsschwierigkeiten<br />

mit dem Verweis auf den Menschensohn (V. 22) und der Opposition von Propheten<br />

und falschen Propheten (V. 23b und 26), denen Fuchs sich in den Erklärungen<br />

8 und 10 (S. 310 ff.) widmet. Fuchs qualifiziert aufgrund des parallelen Aufbaus<br />

der positiven und negativen Aussageklassen durch die Konjektur eines Menschensohnbezuges<br />

auf der negativen Seite die falschen Propheten als solche, die<br />

„nicht um des Menschensohnes willen verachtet, sondern gelobt“ (311) werden.<br />

Nun sind aber nicht alle Reichen und Gelobten, so Fuchs weiter, falsche Propheten,<br />

weshalb eben nur solche angesprochen werden, „die sich weigern um des<br />

Menschensohnes... willen die echten Propheten zu sein“. Es sind also in den<br />

Weherufen nur noch die Reichen angesprochen, die sich explizit dem Bekehrungsaufruf<br />

verweigern. Es bleibt die Frage, warum Leute, die sich der Botschaft ganz<br />

verweigern, überhaupt als Propheten angesprochen werden, genauer: als falsche<br />

Propheten und nicht als Nicht-Propheten.<br />

Behält man dagegen – anders als Fuchs – die Festlegung der Grundebene der<br />

Bedeutung auf „Jünger“ (bzw. „Christen“, für die Hörer des Textes in den lukansichen<br />

Gemeinden) bei, so stellen sich diese Erläuterungszwänge erst gar nicht.<br />

Und man merkt denn auch, dass Fuchs an einer für die Erreichung seines Interpretationszieles<br />

entscheidenden Stelle der Tücke seiner konstruierten Negation<br />

erlegen ist: Die Aussage „verachtet um des Menschensohnes willen“ (V. 22)<br />

spricht von der „Bewertung der Jüngerschaft“; der Bedeutungseffekt des Wortes<br />

„verachtet“ ist folglich der „negativen Bewertung der Jüngerschaft“. Wenn man<br />

davon nun die Negation bildet, um in der negativen Aussageklasse die semantische<br />

Opposition zur ursprünglichen Aussage zu bekommen, so kann es sich dort nur<br />

um eine nicht negative Bewertung der Jüngerschaft handeln, nicht aber um eine<br />

positive Bewertung der Nicht-Jüngerschaft, wie es die Interpretation von Fuchs<br />

nahelegt. Kurz: es kann sich nur um Leute handeln, die trotz ihrer Zugehörigkeit<br />

zum Menschensohn nicht verachtet werden. Damit werden sie auch als Propheten<br />

angesprochen, aber eben als falsche, weil (Bedeutungsbildung durch das Klassem<br />

„reich“!) sie im Unterschied zu den wahren Propheten durch ihren Reichtum<br />

daran gehindert werden, wahre Propheten zu sein. Sie praktizieren wohl eher –<br />

wie das dem Habitus der stärker in den herrschenden gesellschaftlichen Kontext<br />

eingegliederten Schichten entspricht – ein ihrer gesellschaftlichen Stellung zu<br />

angepasstes Christentum und verkehren so ihren kritischen prophetischen Auftrag<br />

161

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!