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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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sowie verschieden Fürstentümern, der Liberalisierungsinteressen des<br />

aufkommenden Kapitalismus und der Knechtung der „Laien“ unter der<br />

religiös-symbolischen Gewalt der Ablasspraxis bestand ein breites gesellschaftliches<br />

Interesse an Freiheit. Zugleich begann sich mit der Renaissance<br />

– zum Beispiel als Zentralperspektive in der Malerei – eine Konzentration<br />

auf das Individuum herauszubilden. Luther artikulierte im religiösen<br />

Feld gegen die Ablaßpraxis die Rechtfertigung des Einzelnen allein aus<br />

dem Glauben und ohne die Werke des Gesetzes. Das Gewissen des Einzelnen<br />

wurde damit zu einer konstitutiven theologischen Kategorie. Diese<br />

Neu-Beschreibung der Verhältnisse im religiösen Feld entsprach (in transformierter<br />

Weise) weit verbreiteten Interessen in anderen gesellschaftlichen<br />

<strong>Praxis</strong>feldern. Deshalb wurde sie dort sofort aufgenommen und – entsprechend<br />

umgewandelt – in den jeweiligen praktischen Logiken gebraucht.<br />

Weiterhin hypothetisch könnte man also sagen, dass die implizite<br />

und kontextuelle Grundunterscheidung dieser <strong>Theologie</strong> der Gegensatz<br />

zwischen „Freiheit des Einzelnen“ und „Determinierung durch Institutionen“<br />

ist.<br />

Die Schemata der konstruierten Netze kognitiver Dispositionen sollten<br />

also als praktische Operatoren verstanden werden. Dies beinhaltet Offenheit<br />

und Wandelbarkeit. Netze praktischer Operatoren sollte man sich<br />

weder als vollständig noch als geschlossen oder auch nur als komplett<br />

schlüssig vorstellen. Man sollte sie, im Gegenteil, als unvollständig, offen<br />

und nur partiell schlüssig ansehen. Die Offenheit ist dabei in zwei Hinsichten<br />

höchst wichtig: Einerseits erklärt sie die Umwandlungsfähigkeit von<br />

Netzen kognitiver Dispositionen auf der (syntagmatischen) Ebene eines<br />

<strong>Praxis</strong>feldes. Das heißt, <strong>Theologie</strong>-immanente Argumentation und Diskussion<br />

haben ihren Ort im praxeologischen Vokabular. Sie entsprechen der<br />

Rationalität des theologischen Feldes und können dies durchaus verändern.<br />

So können etwa Meinungen und Praktiken (und schließlich auch<br />

Dispositionen) von Akteuren durch Argumentation beeinflusst und geändert<br />

werden, oder neue Ideen können weitreichende Entwicklungen auch<br />

im Bereich der Institutionen des Feldes auslösen. Diese <strong>Praxis</strong> ist aber<br />

immer orientiert und begrenzt durch die objektive Lage des jeweiligen<br />

Feldes sowie auch anderer <strong>Praxis</strong>felder einer Gesellschaft. Denn es kommt<br />

nicht unwesentlich darauf an, ob eine Veränderung in einem Feld auf<br />

homologe Bedürfnisse oder Konjunkturen in den anderen Feldern trifft<br />

oder nicht. Weitreichende Veränderungen sind nicht vorstellbar, ohne die<br />

Verbindung zwischen den Feldern zu berücksichtigen. Die Reformation<br />

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