02.12.2012 Aufrufe

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

die allgemeine Geltung einer anderen, höheren Religion eingeschlossen<br />

sind, ohne dass ihre Anhänger es wissen.<br />

Ebensowenig zufällig erscheint es mir, dass in nicht-westlichen Religionen<br />

bzw. den entsprechenden Sprachen Worte fehlen, der einem Begriff<br />

von Religion als Begründung äquivalent wären. Dharma wird im heutigen<br />

Indien als „Religion“ übersetzt; seine Bedeutung ist aber „Gesetz, Sitte,<br />

Ordnung“; traditionell sind auch die Begriffe „Hören“ (Srutri) und „gläubiges<br />

Vertrauen, Verehrung der Gottheit“ (Bhakti) in Gebrauch. Die chinesische<br />

Übersetzung des westlichen Terminus meint „himmlische Lehre“<br />

(zong jiao); zunächst nur auf den Buddhismus bezogen und dann auch auf<br />

den Konfuzianismus, bezeichnet der Begriff „jiao“ nichts weiter als die<br />

Lehre, um den rechten Weg (tao) zu gehen. In der hebräischen Bibel stößt<br />

man bei der Suche nach Äquivalenten zu „Religion“ zumeist auf „Gesetz,<br />

Ordnung, Kultordnung“ (huqqat). Was den Islam angeht, sind die Meinungen<br />

unterschiedlich. 55 Jedenfalls der Tendenz nach steht in nicht-westlichen<br />

Sprachen der praktische Aspekt im Vordergrund und weit weniger<br />

die philosophische Begründungskompetenz des objektiven Religionssystems.<br />

Das schließt nicht aus, dass andere Begriffe ähnliche sozio-religiöse<br />

Funktionen wie der westliche Religionsbegriff erfüllen, indem sie Exklusivitätsansprüche<br />

einer Religionsgemeinschaft reklamieren oder vergleichend<br />

Grenzen festlegen. (Haußig: Religionsbegriff 37 f., 102, 194) Aber<br />

auch dies sind praktische Funktionen. Religion ist <strong>Praxis</strong>. Ihr Begründetsein<br />

ist von den Gläubigen implizit vorausgesetzt und nicht Gegenstand<br />

wissenschaftlichen Operationen.<br />

Was aber geschieht in Fundamentalismen? Ist hier nicht sogar ein<br />

exklusivistischer Absolutheitsanspruch zu erkennen? Gewiss, aber die<br />

Fundamentalismen nicht-westlicher Religionen sind Reaktionen auf die<br />

westliche Moderne, verstärkt durch soziale Konfliktsituationen. Sie entstehen<br />

unter dem Druck sozio-religiöser Konkurrenz um Mangelgüter.<br />

Dieser Druck erzeugt im Zeitalter globaler Modernisierung allenthalben<br />

Begründungszwänge in vielen Religionen, auch wenn sie – wie im „Hinduismus“<br />

– bisher kaum eine Rolle spielten. Charakteristisch für solche<br />

Prozesse religiöser Verabsolutierung ist, dass sie an praktischer Alltagsreligiosität<br />

ansetzen. Sie nehmen bestimmte Begriffe, Symbole oder Praktiken<br />

auf, die im jeweiligen Kontext relevant für Mobilisierungsstrategien<br />

55 ... dies jedenfalls, was den Begriff din angeht. Vgl. Dierse: Religion 632 f., und Haußig:<br />

Religionsbegriff 194 ff.<br />

293

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!