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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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deren objektiven Positionen im gesellschaftlichen Raum mit zu bedenken. Denn<br />

diese prägen die jeweiligen Wahrnehmungs- und Handlungsdispositionen sowie<br />

das Verhältnis zwischen den Kommunikationspartnern immer schon mit, noch<br />

bevor die Personen sich auch nur das erste Wort gesagt haben.<br />

Sinn entsteht nur auf dem Hintergrund eines Kontexts in dessen je konkreter,<br />

gesellschaftlicher Gestalt; genauer: durch die Zusammenschau der Differenzen<br />

zwischen Kontext, Begegnung und Äußerungen. Deshalb ist die isolierte Betrachtung<br />

von Selbstdarstellungen sinnlos, und deshalb kann auch theologisches<br />

(Fremd-) Verstehen sich nicht einfach darauf beschränken, fremde Symbolwelten<br />

(lesend) nachvollziehen zu wollen.<br />

Gewiss bleiben die subjektiven und intersubjektiv wirksamen „Sinnwelten“<br />

auch weiterhin ein Gegenstand der Forschung; allerdings in ihrer wechselseitigen<br />

Beziehung zu den vorgegebenen objektiven Strukturen der Gesellschaft. Dies aber<br />

nicht in einem Gegensatz von Subjekt und System, sondern im Sinne einer praktischen<br />

Logik tätiger Menschen.<br />

Die objektivistische Wissenschaftstradition behandelt gesellschaftliche<br />

Beziehungen als Dinge.<br />

Kontext ist in diesem Sinne den Menschen objektiv vorgegeben; sei es<br />

als gesellschaftliche Strukturen wie etwa Produktionsverhältnisse im orthodoxen<br />

Marxismus, sei es als universale Strukturen des menschlichen<br />

Denkens wie etwa im klassischen Strukturalismus Lévi-Strauss‘. Kontexte<br />

werden in diesem Sinne als Systeme verstanden, die unabhängig vom<br />

Handeln der Akteure existieren, die den Akteuren gewissermaßen als<br />

objektive Größen gegenüberstehen.<br />

Die Handelnden erscheinen in dieser Sicht nicht selten als von den<br />

Systemen beherrscht oder determiniert. Eine Spitzenaussage von Lévi-<br />

Strauss in diesem Sinne (später vielfach relativiert) mag dies verdeutlichen:<br />

„Wir behaupten also nicht zeigen zu können, wie die Menschen in Mythen<br />

denken, sondern wie sich die Mythen in den Menschen ohne deren Wissen<br />

denken.“ (Lévi-Strauss: Mythologica I 26) Lévi-Strauss sieht die Vermittlung<br />

zwischen gesellschaftlicher und symbolischer Struktur letztlich in der, die<br />

Subjekte nicht bedürfenden und dem Bewusstsein verborgenen „Tätigkeit<br />

des Geistes“, die sich de facto nicht zuletzt als eine „unbewußte Zweckmäßigkeit“<br />

82 darstellt.<br />

82 Lévi-Strauss, in Gurvich und W.E. Moore: La sociologie du XXe siécle. Paris: Presses<br />

Universitaires de France, 1947, Bd. II, 527, zit. nach Bourdieu: Sinn 76.<br />

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