02.12.2012 Aufrufe

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

formulieren; sie ist ein graduelles Problem. Es lassen sich Instrumente<br />

entwickeln, mit denen man sich, zumindest partiell, dem Relativen entziehen<br />

kann. Und eines der wichtigsten ist sicher die Selbstanalyse, verstanden<br />

als Erkenntnis nicht bloß des spezifischen Standpunktes, den der<br />

Wissenschaftler einnimmt, sondern auch der historischen Bedingtheit<br />

seiner Erkenntnismittel.“ 201 Man kann sich allerdings mit Recht fragen, ob<br />

hierzu die einsame Analyse der auf ihre Produktionsbedingungen im weitesten<br />

Sinne reflektierenden Wissenschaftler ausreicht. Um die im „blinden<br />

Fleck“ der Beobachtung wirksamen Grundunterscheidungen der Strukturierung<br />

von Wirklichkeit sichtbar zu machen, scheint mir der Dialog mit<br />

fremden Theologen und Nicht-Theologen die einzige Möglichkeit wirksamer<br />

Reflexion.<br />

Dazu gehört freilich auch, die Erkenntnismittel in ihrer Funktion als<br />

Instrumente der Durchsetzung von Interessen zu begreifen, denn „‚Wahrheit‘<br />

ist in jedem Feld Gegenstand von Kämpfen und Auseinandersetzungen“.<br />

(Bourdieu: Fieldwork 44) Der Dialog über die Bedingungen der<br />

Hervorbringung von wissenschaftlicher <strong>Theologie</strong> wird nur dann zu wirklich<br />

nützlichen Ergebnissen kommen, wenn er auch die Konflikte beachtet,<br />

in die theologische Tätigkeit nolens volens eingebunden ist.<br />

3. „Objektive Begründung“ und Relativität der Wahrheit<br />

Der oben (S. 53 ff.) vorgestellte Versuch, die Wahrheit theologischer<br />

Aussagen objektiv zu begründen, bestimmt das Verhältnis von Wahrheit und<br />

Relativität so, dass Erstere vor Letzterer zu schützen sei. Aus den logischen<br />

Prämissen der Operationen der Vernunft soll Wahrheit als absolutum be-<br />

201 Bourdieu: Fieldwork 46. In formaler Hinsicht entspricht dieser Verweis Bourdieus auf<br />

die notwendige Selbstreflexion der Wissenschaft als Annäherungsmoment an (nicht zu<br />

erreichende) Objektivität dem Status der Erkenntnistheorie, wie Niklas Luhmann: Systeme<br />

647 ff., ihn zusammenfasst, und den sich daraus ergebenden Konsequenzen, wenn man<br />

systemtheoretisch weiterfragt: dass nämlich auch Wissenschaft zum Gegenstand der<br />

Wissenschaft werden muss. Und das „zwingt zur Verabschiedung von aller ontologischen<br />

Metaphysik und aller Aprioristik. Systeme mit eingebauter Reflexion sind gezwungen, auf<br />

Absolutheiten zu verzichten. Und wenn die Wissenschaft diesen Sachverhalt in ihrem<br />

Gegenstandsbereich entdeckt, dann gilt er unabweisbar auch für sie selbst.“ (Luhmann:<br />

Systeme 656) Ähnlich, wie es in Bourdieus Ablehnung von Universaltheorien zum Ausdruck<br />

kommt, sieht auch Luhmann die erkenntnistheoretisch entscheidende Trennungslinie nicht<br />

zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, „sondern zwischen Theorien mit Universalitätsanspruch,<br />

die sich durch diesen Anspruch in Selbstreferenzprobleme verwickeln, und<br />

begrenzten Forschungstheorien, die nur thematisch begrenzte Ausschnitte der Welt<br />

thematisieren“ (Luhmann: Systeme 658).<br />

255

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!