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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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eine, die nicht dem Engagement für eine „theologische Sache“, sondern<br />

der Position der <strong>Theologie</strong> und der Theologen selbst gewidmet ist: nämlich<br />

der Identifikation von theologischem Erkennen mit der Vernunft<br />

selbst.<br />

„Natürlich ist jeder Denker versucht, sich mit der Vernunft zu identifizieren.<br />

Tatsächlich aber muß ich noch meine Stellung als universeller<br />

Denker riskieren, will ich mit einiger Aussicht auf Erfolg etwas weniger<br />

partikular denken.“ (Bourdieu: Fieldwork 45) Praxeologische Erkenntnisweise<br />

sieht die objektiven Strukturen, Positionen und Interessen des gesellschaftlichen<br />

Raumes sowie die entsprechenden Auseinandersetzungen in<br />

einem engen Zusammenhang mit den Strukturen der Wahrnehmung, des<br />

Urteilens und des Handelns auch der Wissenschaftler. Dementsprechend<br />

fragen wir mit Bourdieu zunächst nach den Interessen hinter dem Postulat<br />

der Voraussetzungslosigkeit des Denkens. Man kann es als ein Strategem<br />

begreifen, mit dem Akteure in gesellschaftlichen Konflikten – natürlich<br />

auch im Wissenschaftsfeld – die eigene Position stärken und deren Akzeptabilität<br />

erhöhen wollen. Damit können sie die „Gewinne und Vorteile“<br />

genießen, die jenem „sich bieten, der einen absoluten, nicht relativierbaren<br />

Standpunkt einnimmt: eben der Anspruch desjenigen, der die Selbstbegründung<br />

seines Denkens geltend macht. Ich denke, daß man Soziologe,<br />

Theoretiker wird, um einen solchen absoluten Standpunkt, theoria, einzunehmen;<br />

und daß dieser gebieterische, göttliche Ehrgeiz, solange er als<br />

solcher nicht durchschaut ist, eine kolossale Quelle von Irrtümern ist. Ich<br />

entdecke ferner, daß, wer der Relativität ein wenig entkommen will, sich<br />

des Anspruchs auf absolutes Wissen total entschlagen, sich der Krone des<br />

Philosophen-Königs entledigen muß.“ (Bourdieu: Fieldwork 48)<br />

Die sich hinter dem Anspruch auf Nichtrelativität verbergende faktische<br />

Partikularität einer Position kann nur so überwunden werden, dass sie<br />

in ihrer historischen Bedingtheit durchschaubar und in ihrem relativen<br />

Geltungsbereich dann tatsächlich akzeptabel wird. „Der Historizismus ist,<br />

so meine Meinung, bis zum Äußersten zu treiben, vermittels radikalen<br />

Zweifelns, um dann zu sehen, was wirklich noch zu retten ist.“ (Bourdieu:<br />

Fieldwork 44) Auf die wissenschaftliche Arbeit gewendet heißt das: „Dadurch,<br />

daß ich weiß, daß in meine Forschungen persönliche, aus meiner<br />

Geschichte herleitbare Impulse eingehen, eröffnet sich mir auch die Chance,<br />

die Grenzen meiner Sicht zu erkennen.“ (Bourdieu: Fieldwork 46) Genau<br />

dies ist bei einem System mit Anspruch auf Voraussetzungslosigkeit<br />

und, damit, universale Geltung per definitionem eben nicht möglich. „Kurzum:<br />

Die Begründungsproblematik ist nicht in absoluten Begriffen zu<br />

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