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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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schungsprofessuren dar.“ (Schmeiser: Bourdieu 167) Diesem Weg Bourdieus in die<br />

Wissenschaft entspricht die Reihenfolge seiner großen Untersuchungen: mit<br />

Entwurf einer Theorie der <strong>Praxis</strong> 1972 (Orig.) zunächst eine ethnologische Studie über<br />

die kabylische Gesellschaft; mit Die feinen Unterschiede 1979 eine soziologische<br />

Untersuchung der französischen Gesellschaft; mit Sozialer Sinn 1980 eine Überarbeitung<br />

und Präzisierung der ethnologischen Studie von 1972 für die breitere<br />

wissenschaftliche Rezeption und vor allem mit Blick auf philosophische Fragestellungen;<br />

mit Homo Academicus 1984 die Rückwendung des Forschungsprofessors<br />

auf das akademische Feld, um die Objektivierenden (und damit auch sich selbst)<br />

zu objektivieren, sie gewissermaßen einer Kritik der Produktionsbedingungen der<br />

theoretischen Vernunft zu unterziehen und auf sein akademisches Arbeitsfeld<br />

dieselben analytischen Kategorien anzuwenden, wie er sie auf die weitere Gesellschaft<br />

anwendet; mit Das Elend der Welt ein weiteres großes Projekt, diesmal in<br />

Teamarbeit, welches auf der Grundlage von Interviews „Zeugnisse und Diagnosen<br />

alltäglichen Leidens an der Gesellschaft“ (Untertitel) vorstellt; und mit Meditations<br />

pascaliennes eine eher philosophische Abhandlung über die Bedingungen wissenschaftlichen<br />

Erkennens. 97<br />

In allen Untersuchungen, von der bäuerlichen Kabylie bis zum akademischen<br />

Erkennen, ist die reflexive Distanz zur eigenen Denkmethode und ihren intellektuellen<br />

wie gesellschaftlichen Voraussetzungen gegenwärtig, eine Distanz die sich<br />

vermutlich vor allem drei Faktoren verdankt: dem biographischen Bruch durch<br />

den Wechsel von der bäuerlichen Provinz an die Pariser Akademie; der durch das<br />

Studium der Philosophie geschulten reflexiven Distanz zur Wissenschaft; und dem<br />

durch die eigene Feldforschung in Algerien und in Frankreich notwendig und<br />

bewusst gewordenen Bruch mit dem Strukturalismus Lévi-Strauss‘ ebenso wie mit<br />

der phänomenologischen Schule.<br />

Das intellektuelle Klima der französischen Soziologie zur Zeit von Bourdieus<br />

Einstieg in die Wissenschaft war geprägt von der stark theorieorientierten<br />

Durkheim-Schule einerseits und von einer empiristisch-deskriptiven Soziologie<br />

angelsächsischer Prägung andererseits. Als neue, dritte Kraft profilierte sich gerade<br />

der Strukturalismus. Diesem wandte sich Bourdieu zunächst zu. In seinen<br />

Algerien-Studien erwies Bourdieu seine Meisterschaft als strukturalistischer Ethnologe,<br />

die gesellschaftlichen Fakten relational zu fassen, durch eine Untersuchung<br />

über das kabylische Haus (aufgenommen in Bourdieu: Entwurf 48 ff.). In philosophischer<br />

Hinsicht lässt er durch den Ansatz beim Strukturalismus auch substanzorientierte<br />

Sozial-Ontologie hinter sich.<br />

In der Genese seines Denkstils bricht Bourdieu – wie er nicht müde wird<br />

hervorzuheben – mit einer ganzen Phalanx von human- und sozialwissenschaftlichen<br />

Traditionen, die er selbst in etwas schematischer, aber doch aufschlussreicher Weise<br />

97 Vgl. Bourdieu: Entwurf, Bourdieu: Sinn, Bourdieu: Unterschiede, Bourdieu: Homo, Bourdieu:<br />

Elend, und Bourdieu: Meditationen.<br />

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