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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Schrift unter bestimmten Kontextbedingungen Offenbarung provozieren,<br />

ohne freilich je über den hermeneutischen Prozess ihrer Hervorbringung<br />

oder über ihre Gehalte zu verfügen.<br />

Offenbarung wird für die sie erfahrende Person eine Letztbegründung<br />

ihrer Existenz konstituieren. Aber eine solche subjektive Letztbegründung<br />

ist zunächst einfach eine Funktion von Religion im Allgemeinen. Aufgrund<br />

ihres Bezuges auf eine metagesellschaftliche, transzendente Größe antworten<br />

Religionen generell auf das Bedürfnis nach Letztbegründung von<br />

Lebenszusammenhängen; sie entsprechen damit einem subjektiven Bedürfnis,<br />

nach (Wieder-) Herstellung eines übergreifenden Sinnzusammenhanges<br />

der <strong>Praxis</strong> unter Bezug auf die „allgemeine Seinsordnung“ (Geertz:<br />

Beschreibung 48). Dieser Vorgang der letztbegründenden Sinngebung ist<br />

sozialwissenschaftlich und theologisch beschreibbar, aber nicht (nach-)<br />

vollziehbar. <strong>Theologie</strong> schafft keine Letztbegründungen; der Glaube<br />

schafft sie, und zwar für die Glaubenden. In diesem Sinne ist gerettet, der<br />

der glaubt. <strong>Theologie</strong> rettet nicht; sie beschreibt, reflektiert, argumentiert,<br />

weist ab und empfiehlt.<br />

Gleichwohl ist die allgemein religiöse Erzeugung von Letztbegründungen<br />

interessant für die Frage nach der theologischen Themenfindung.<br />

Religiöse Letztbegründungen verarbeiten die Bedrohung des Lebens durch<br />

den Tod und, allgemeiner gefasst: des Seins durch das Nichts. Die Negation<br />

des Lebens bringt sich für Menschen aber keineswegs nur im geistigen<br />

Bild ihres eigenen physischen Todes zur Sprache. Ein „Angeld“ des Todes<br />

und des Nichts sind vielmehr auch die Erfahrungen tiefgreifender Krisen<br />

und Katastrophen sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher<br />

Ebene. In ihnen erfahren die Betroffenen – in kleinerer Münze als in der<br />

des Todes, aber aktuell und leibhaftig – den Zugriff des „Nichts“ auf ihr<br />

Dasein als eine bestimmte, auf konkrete Lebenszusammenhänge gerichtete<br />

Negation. Eine solche Erfahrung von Krise und Leid ist an konkrete<br />

Ereignisse gebunden und bringt folglich eine allgemeine Sinnfrage nach<br />

dem „Überhaupt“ erst in zweiter Linie hervor. Vielmehr produziert sie<br />

eine mit konkreter Erfahrung gefüllte, spezifische Nachfrage nach einer<br />

(religiösen) Erklärung der Gründe für das Eintreten der neuen Umstände<br />

und nach Erklärung der Welt unter den neuen Umständen. Überdies wird<br />

eine solche Krise sehr selten nur als intellektuelle Sinnkrise erfahren. Die<br />

Nachfrage nach neuem Sinn richtet sich im Allgemeinen auf eine<br />

ganzheitliche Wiederherstellung der praktischen Logik in allen ihren Dimensionen.<br />

Nachfrage nach religiösem Sinn ist alles Andere als akade-<br />

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