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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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ezipiert. Entscheidend ist folgendes: 1) Die symbolische Arbeit aller<br />

religiösen Akteure (Spezialisten und Laien) vermittelte die Erfahrungen<br />

von Kontingenz in den verschiedensten gesellschaftlichen Lagen mit den<br />

Zeicheninventaren der neuen religiösen Systeme. 2) Im Laufe der Zeit<br />

konnte es zur Inkorporation der neuen Praktiken als neue religiöse Habitus<br />

in den Akteuren kommen. 3) Zugleich wurden die neuen praktischen<br />

Logiken objektiviert in entsprechenden, von Spezialisten produzierten<br />

<strong>Theologie</strong>n, in kirchlichen Strukturen, Ämtern, Titeln, usw. Auf diese<br />

Weise bildet sich ein kollektiver religiöser Akteur heraus, der genügend<br />

institutionalisiert ist, um aktiv in die Positionskämpfe des religiösen Feldes<br />

einzutreten. An diesem Punkt kommt es dann gewöhnlich zur institutionellen<br />

Trennung von einer „Mutterkirche“.<br />

Für eine wirkungsvolle religiöse Verarbeitung von Kontingenz ist<br />

nicht der unmittelbare Bezug der religiösen Sprache auf die Bedingungen,<br />

unter denen Kontingenz erfahren wird, entscheidend. Vielmehr kommt es<br />

auf Folgendes an: die metaphorische Umwandlung der Kontingenzerfahrung<br />

durch die Operation geeigneter religiöser Zeichen; ein möglichst<br />

hoher (postulierter) Allgemeinheitsgrad der religiösen Sinngebungsangebote;<br />

und eine relativ große Distanz des religiösen Feldes von jenem Feld, in<br />

dem die Kontingenzerfahrung gemacht wird. 69<br />

Im Gegenzug zur Erfahrung von Zusammenhanglosigkeit und Zerrissenheit<br />

rekonstruiert Religion also <strong>Praxis</strong> als ein zusammenhängendes<br />

Ganzes, dessen Relationen durch eine spezifische, religiös vermittelte<br />

Logik geregelt werden. Religion konstruiert Sinnganzheit.<br />

3. Das Ganze im praktischen Sinne<br />

Im praxeologischen Vokabular wird Sinn als praktischer Sinn aufgefasst. 70<br />

Was man dann unter „dem Ganzen“ versteht, ist auf den praktischen Sinn<br />

bezogen.<br />

Sinn ist praktischer Sinn, nicht einfach ein kognitives Ereignis. Er wird<br />

nicht erzeugt durch die bloße Beziehung eines Signifikanten zum einem<br />

Signifikat im Bewusstsein. Sinn ist nicht einfach das Ergebnis einer Ich-<br />

Leistung des Subjekts und Produkt subjektiver Intentionalität. Aber eben-<br />

69 Vgl. hierzu im Detail Schäfer: Theorie.<br />

70 Vgl. Bourdieu: Sinn 122 ff. Als Überblick zum Begriff des Sinnes bei Bourdieu vgl.<br />

Wagner: Sinn.<br />

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