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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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des Glaubens und deren Bedingungen, u.a. eben auch der Sünde. <strong>Theologie</strong><br />

erscheint somit nicht mehr als ein Tun wirklicher Menschen, sondern als ein<br />

geheimnisvoller Prozess der Übertragung von Wahrheit. Reinhard Slenzka, der<br />

von einem sehr verwandten Denken herkommt, spricht in diesem Zusammenhang<br />

von „pneumatischer Identität“. 30 Derlei Behauptungen haben viele Vorteile für<br />

ihre Verfechter, besonders wenn Andere sie für bare Münze nehmen. Sie verbieten<br />

aber, sich über die Bedingungen des eigenen Denkens und Handelns ernsthaft<br />

Gedanken zu machen.<br />

Auch die Machtfrage kommt nicht genügend in den Blick. Ein Beispiel für die<br />

Konsequenzen des von Stackhouse verfochtenen Objektivismus‘ ist Blasers<br />

Gegenüberstellung von Barmer Erklärung und Befreiungstheologien (Blaser:<br />

Volksideologie). Ich teile Blasers Kritik an heilsgeschichtlicher Glorifizierung von<br />

gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und viele andere Beobachtungen. Diese<br />

Glorifizierung aber ist gerade keine (reflexive und kritische) Kontextualität. Und<br />

es scheint mir verfehlt, wenn man Befreiungstheologien in die Nähe des Glaubenssatzes<br />

„von der Prädestination des Deutschen Volkes“ rückt. (Blaser: Volksideologie<br />

30). Der bloße Vergleich von Lehraussagen täuscht, denn man verkennt<br />

die unterschiedlichen Positionen von Akteuren in den gesellschaftlichen Machtbeziehungen<br />

und vergleicht schließlich Äpfel mit Birnen. Liest man aber kontextuell,<br />

so stellt man fest: Die Barmer Theologen sind den Befreiungstheologen<br />

homolog bezüglich ihrer gesellschaftlichen Position. Zudem kritisieren beide<br />

<strong>Theologie</strong>n die Position der gesellschaftlich Mächtigen, wenn auch unter verschiedenen<br />

Gesichtspunkten. Als Totalitarismuskritik ist die Barmer Theologische<br />

Erklärung eine eminent kontextuelle <strong>Theologie</strong> – geradezu plakativ. Barmen I geht<br />

von einer Kontextanalyse aus („Mächte, Gestalten, Ereignisse“) und formuliert<br />

vom Evangelium her entsprechende kritische Abgrenzungen. Soziologisch geredet:<br />

Auf den totalitären Machtanspruch des Staates wird mit einem totalen Machtanspruch<br />

der Religion geantwortet; 31 ganz ähnlich wie Befreiungstheologien<br />

ebenfalls aus einer Position der Machtlosigkeit die wirtschaftliche Ausbeutung und<br />

Unterdrückung der Schwachen kritisieren. Der Ansbacher Ratschlag ist dagegen<br />

nicht kontextuelle <strong>Theologie</strong>, sondern ein religiöser Legitimationsdiskurs politischer<br />

Macht. 32<br />

30 ... die freilich nicht für geistesgeschichtlich ausgerichtete <strong>Theologie</strong>, sondern nur für<br />

den „geistlichen Vollzug kirchlicher Lehrentscheidungen“ gelte; vgl. Slenzka: Bekenntnis 110<br />

und öfter.<br />

31 Vgl. die Einleitung mit der expliziten Positionierung gegen die deutschen Christen;<br />

„Jesus als das eine Wort Gottes“, Barmen I; „Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes<br />

Leben“, Barmen II. Vgl. in Burgsmüller/Weth: Erklärung.<br />

32 Der Ansbacher Ratschlag (vgl. Schmidt: Bekenntnisse 102 ff.) stellt gerade keine explizite<br />

Relation zwischen Kontext und Evangelium her. „Evangelium“ bleibt eine sehr abstrakte<br />

dogmatische Formel (§ 2). Was man Kontext nennen könnte, wird mit dem Begriff<br />

„Gesetz“ belegt. Dieser gewinnt den Charakter von gottgewollter natürlicher Ordnung, die<br />

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