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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Wirkliche erschöpfen. Semantik erklärt sich vielmehr, in einem weiteren Sinne, aus<br />

dem Gebrauch der Sprache in der gesellschaftlichen <strong>Praxis</strong> (welcher auch Verweisfunktionen<br />

einschließt). Zweitens sollte man über Ricoeurs Konzentration auf das<br />

Psychische hinaus die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse mit beachten.<br />

Paul Ricoeur orientiert seine Hermeneutik an der Sprachform der Rede, in<br />

welcher Struktur und Gebrauch zusammenfließen. Überdies seien in der<br />

Rede unter dem offenkundigen Sinn sprachliche und psychische Tiefenstrukturen<br />

wirksam. Sofern es sich bei den psychischen Tiefenstrukturen<br />

um die Kräfte des Begehrens, der Wünsche, handelt, kommen in der Rede<br />

Sinnbeziehungen und Kraftbeziehungen in einer „Semantik des Wunsches“<br />

(Ricoeur: Subjekt 169) zusammen.<br />

Der entscheidende Gewinn dieses Ansatzes ist die Zusammenführung<br />

von Streben, Kraft und den dem Bewusstsein vorausliegenden Gestalten<br />

des Psychischen einerseits sowie der Formung der Sprache andererseits.<br />

An zwei Stellen sollte man allerdings über Ricoeur hinausgehen. Erstens<br />

reicht es nicht, nur die Tiefenstrukturen und Kraftwirkungen der<br />

Psyche zu bedenken. Auch Gesellschaft und Kultur kommen hier in Betracht.<br />

Dies besonders dann, wenn man berücksichtigt – wie dies in der<br />

Habitus-Theorie der Fall ist –, dass die gesellschaftlichen Klassen und<br />

Klassifizierungen, Orientierungen und Begrenzungen über die permanenten<br />

Prozesse der Sozialisation den Akteuren als kognitive und affektive<br />

Dispositionen inkorporiert sind und ebenfalls Kraftwirkungen erzeugen.<br />

Zweitens kommt man weiter, wenn man die semantische Funktion der<br />

Sprache nicht festlegt als „Verweis auf das Wirkliche“. Zum einen ist<br />

schon die Sprache selbst wirklich, und die symbolischen Trennungen in<br />

den Köpfen der Menschen sind oft derart wirklich, dass sie sogar das<br />

Aufstellen von Zäunen unnötig machen. Zum anderen liegt der Idee der<br />

Signifikation noch zu viel Abbildtheorie des Erkennens zugrunde und zu<br />

wenig Berücksichtigung dessen, dass sich die Bedeutung der Zeichen aus<br />

ihrem Gebrauch erschließt; dass Sprache in die objektiven und subjektiven<br />

Strategien, Interessen und gesellschaftlichen Kraftrelationen als Operator<br />

eingelassen ist.<br />

Wenn man dies berücksichtigt, liegt das Bedeutende an Ricoeurs<br />

Ansatz darin aufzuzeigen, dass die Rede nicht Ausdruck von etwas Drittem<br />

ist (dem Subjekt oder dem System). In ihr fließen vielmehr Begehren<br />

und Zeichen, Kraftwirkungen und Bedeutungsstrukturen, zu einer Semantik<br />

zusammen, die vom „Wunsch“ geleitet ist. Zugleich, und aufgrund<br />

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