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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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tionen ist aber für praxeologische Theorie und kontextuelle <strong>Theologie</strong> von<br />

zentraler Bedeutung.<br />

3) Einen sehr hohen Stellenwert in den ökumenischen Definitionen<br />

von Kultur hat das menschliche Handeln und seine grundlegenden Strukturierungen.<br />

„Ethos“, „Lebensgewohnheiten“, „Konventionen“, „Sitten“,<br />

„Gebräuche“, „Riten“, „Lebensgestaltung“, „menschliche Beziehungen“<br />

werden als zentrale Elemente von Kultur genannt. Dies markiert das<br />

Eindringen neuen Vokabulars in die ökumenische Rede von Kultur. Der<br />

Ansatz beim Ethos verhindert – im Gegensatz zur o.g. Tendenz – eine<br />

sterile Gegenüberstellung der „materiellen“ und „geistigen“ Strukturen<br />

nach Art der Abbildtheorie des Bewusstseins. Im Ethos der Akteure<br />

verbinden sich nämlich die inkorporierten und objektiven Strukturen der<br />

Gesellschaft in der Weise, dass das Ethos zugleich als strukturiert und<br />

strukturierend angesehen werden kann. Bourdieus Begriff des Habitus trifft<br />

genau dies.<br />

4) Die Definitionen benennen immer wieder gesellschaftliche <strong>Praxis</strong>felder<br />

wie „Religion“, „Kunst“, „Literatur“, „Erzählung“, „Technik“,<br />

„Musik“. Dabei ist in den ökumenischen Texten die Beziehung zwischen<br />

Institutionen, Handlungen und Zeichen nicht geklärt. Es liegt aber auf der<br />

Hand, dass in diesen Feldern die Akteure entsprechend zu ihrem Ethos<br />

oder Habitus und den objektiven Strukturen eben dieser Felder handeln.<br />

Auf diese Weise ergibt sich die Beziehung zwischen symbolischen und<br />

„materiellen“ Strukturen über die <strong>Praxis</strong> der Akteure. Die Benennung der<br />

Felder erfolgt dabei scheinbar willkürlich. Ebenso wie beim gesellschaftlichen<br />

Raum (1) ist diese scheinbare Willkür schlicht Ausdruck der legitimen<br />

Tatsache, dass diese Felder gemäß dem jeweiligen Erkenntnisinteresse<br />

konstruiert werden.<br />

5) Kulturen erstrecken sich in der Zeit und wandeln sich. Demgemäß<br />

ist von „Traditionen“, „gemeinsamem Gedächtnis“, „Erbe“ und der Perspektive<br />

der „künftigen Generationen“ die Rede. Zeit ist eine unabdingbare<br />

Kategorie für das Verstehen menschlicher <strong>Praxis</strong>. Die ökumenischen<br />

Definitionen berücksichtigen auf ihre Weise die faktische Strukturierung<br />

des Ethos durch kollektive „Muster“ vermittels des Prozesses der Sozialisation.<br />

Sie sind also anschlussfähig für eine Theorie, die mit einem Modell<br />

von zugleich kollektiven und individuellen Dispositionen der Wahrnehmung,<br />

des Urteilens und des Handelns arbeitet. Darüber hinaus ist man<br />

aufmerksam auf die Bedeutung der Zukunftsprojektionen – also der wahrgenommenen<br />

Chancen und Begrenzungen des Handelns – für die Strukturierung<br />

gegenwärtiger Dispositionen.<br />

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