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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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on. Er leistet Kontingenzbewältigung, und zwar dadurch, dass er spezifische<br />

soziale Erfahrungen religiös generalisiert.<br />

Kontingenzbewältigung entspricht nach pragmatischer Auffassung einer<br />

gemeinsamen Eigenart aller Religionen. Die gemeinsame Botschaft in allen<br />

Religionen besteht, nach William James, „aus zwei Teilen: 1. einem Unbehagen,<br />

und 2. der Befreiung von ihm. 1. Das Unbehagen besteht... aus dem<br />

Gefühl, dass mit uns in unserem natürlichen Zustand irgendetwas nicht<br />

stimmt. 2. Die Befreiung besteht aus dem Gefühl, dass wir von der Unstimmigkeit<br />

geheilt werden, wenn wir mit den höheren Mächten in die richtige<br />

Verbindung treten.“ (James: Vielfalt 487)<br />

„Kontingenzbewältigung auf der individuellen und kollektiven Ebene“<br />

(Fürstenberg/Mörth: Religionssoziologie 59) steht auf unterschiedliche Weise<br />

im Mittelpunkt der, im weitesten Sinne, wissenssoziologischen Erklärungen<br />

von Religion. Meines Erachtens ist ein theoretischer Ansatz bei der<br />

Bewältigung von Kontingenz zur Erfassung von Religion besser geeignet<br />

als die Integrations- oder die Kompensationsthese. Letztere sind theoretisch<br />

weniger umfassend. Aber von der Kontingenzbewältigung her können<br />

sowohl die gesellschaftliche Integration durch Religion als auch die<br />

Kompensation von Frustrationen erklärt werden.<br />

Religiöse Interpretation der Welt bewältigt Kontingenz durch Generalisierung.<br />

Sie stellt eine partikulare Erfahrung von Brüchen in den<br />

größeren Zusammenhang einer allgemeinen Seinsordnung. Man kann<br />

davon ausgehen, dass Kontingenzerfahrungen die Kohärenz der habitualisierten<br />

Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata sowie deren<br />

objektive Angepasstheit an die gesellschaftlichen Positionen ihrer Akteure<br />

aufbrechen; sie stören das Spiel der praktischen Logik. Damit lassen sich<br />

Kontingenzerfahrungen als Krisen des Habitus und der in ihm zusammengefassten<br />

kognitiven, affektiven und leiblichen Dispositionen theoretisieren<br />

und im Rahmen des Habitusmodells behandeln. Das religiöse Wissen,<br />

das zur Bewältigung der Kontingenzerfahrungen und des Verlustes von<br />

Handlungsperspektiven aufgebracht wird, kann man mithin als ein einverleibtes<br />

kulturelles bzw. religiöses Gut verstehen, welches sich unter<br />

bestimmten Umständen in Kapital verwandelt, das heißt in die Fähigkeit,<br />

etwas Erwünschtes zu erlangen. Kontingenzerfahrungen kann man so<br />

auch als die Erfahrung des Kurswert-Verlustes einer bestimmten Kapitalsorte<br />

verstehen.<br />

Der Gott Jahwe zum Beispiel hatte nach der Exilierung der israelischen<br />

Oberschicht in Babylon dort keinen hohen Marktwert. Zur<br />

300

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