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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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operationalisiert werden soll. Nichts desto weniger gelingt es Schreiter unter jedem<br />

seiner Kriterien interessante theoretische Impulse aus der Semiotik aufzunehmen.<br />

Dem Kriterium der Ganzheitlichkeit einer Analyse sucht Schreiter vor allem<br />

durch das Konzept der „semiotic domains“ 59 zu entsprechen. Diskurse bestimmter<br />

Lebensbereiche bilden solche domains; zum Beispiel Politik, Wirtschaft, Familie<br />

etc. Jeder semiotische Bereich ist von einer (oder mehreren?) besonders starken<br />

Metapher beherrscht, der „root metaphor“ (Victor Turner); zum Beispiel „Markt“<br />

im Bereich der Wirtschaft. Eine solche root metaphor ist etwas, das jeder versteht,<br />

der mit dem entsprechenden semiotischen Bereich vertraut ist.<br />

Ich halte insbesondere die Idee der root metaphor für sehr fruchtbar im Blick<br />

auf die Relationierung unterschiedlicher gesellschaftlicher Felder und die Binnenstrukturierung<br />

eines jeden. Leider fehlt bei Schreiter aber eine Methode zur Entzifferung<br />

der Zeichensysteme und zur Verbindung der domains untereinander. Dafür<br />

ist der Bezug auf Einzelmetaphern als Bindeglieder zu zufällig. Allerdings sind die<br />

Begriffe der Metapher oder des Symbols operationalisierbar, wenn Zeichen und<br />

Handlungen besser miteinander vermittelt werden. Dazu bräuchte man aber eine<br />

handlungsorientierte Feldtheorie (zum Beispiel die von Bourdieu), welche Zeichen<br />

als Handlungsweisen, genauer: Operatoren, integriert.<br />

Schreiters Identitätsbegriff kommt nicht aus der Semiotik. Das macht die Verbindung<br />

zu den anderen Theorieelementen schwierig. Dementsprechend arbeitet<br />

der Autor mit zwei Ansätzen mehr oder weniger parallel. Einerseits versteht er<br />

Identitätsbestimmung von den Grenzziehungen her, im Sinne einer Unterscheidung<br />

von innen versus außen: ein sozialer Prozess. Andererseits gehören bestimmte<br />

semiotic domains zum Innenfeld einer Identität und beschreiben sie: eine<br />

semiotische Struktur. Das ist von der grundlegenden Idee her eine interessante<br />

Kombination von zwei unterschiedlichen Ansätzen. Allerdings sind die Ansätze<br />

meines Erachtens zu wenig miteinander vermittelt.<br />

Man kann dagegen – praxeologisch gedacht – Identität auch von innen her<br />

bestimmen. Dazu fasst man semiotic domains als implizit und gemäß bestimmten<br />

gesellschaftlichen <strong>Praxis</strong>feldern organisierte praktische Logiken von Akteuren auf<br />

und analysiert sie im Detail. Dann können die Grenzbestimmungen organisch von<br />

der praktischen Logik gesellschaftlicher Akteure her vorgenommen werden. Die<br />

Innen-Außen-Differenz ist so nicht einfach nur theoretisch vorgegeben, sondern<br />

empirisch als inhaltlich bestimmte Differenz zwischen Akteuren benennbar. Mit<br />

anderen Worten: Ein Baptist ist sicher nicht zunächst deshalb ein Baptist, weil er<br />

nicht Katholik sein will, sondern weil ihm am Baptistsein etwas gefällt. Bourdieus<br />

Theorie, die Feld, Habitus und praktische Logik integriert, hilft mit einer ent-<br />

59 Schreiter: <strong>Theologie</strong>s 62, 69 f.; vgl. deutsch Schreiter: Abschied 103, 113 f. Die Übersetzung<br />

von domaine mit „Domäne“ ist ungeeignet, wie man vor allem auf S. 103 der Übersetzung<br />

feststellen kann. Ich werde „Bereich“ sagen.<br />

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