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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Die Tugend- und Lasterkataloge stackhousescher Ethik ließen sich beliebig<br />

erweitern. Sie sind durchaus nicht widerspruchsfrei und ihre „Anwendung“ ist<br />

keineswegs problemlos. Die Äußerung zum Beispiel, Demokratie sei „the most<br />

likely structural manifestation (sic!) of God‘s justice“, lässt die Leser sogleich<br />

neugierig darauf werden, ob im himmlischen Ratschlag ein Zwei-Kammer-Modell<br />

mit oder ohne Präsidialsystem gemeint ist, ein Rätemodell oder gar eine Commune.<br />

Stackhouse hat ein berechtigtes Interesse daran, das theologische Kriterienproblem<br />

zu lösen. Das gelingt ihm nicht. Vielmehr bietet er ein deutliches Beispiel<br />

dafür, wie das Kriterienproblem durch Wahrheitsbehauptungen gerade verschärft wird.<br />

Ich frage mich, ob dieser Autor ernsthaft verneinen möchte, dass Wissen – auch<br />

Metareflexion 33 – kontextabhängig ist. Er scheint vielmehr eine grundlegendere<br />

Beschäftigung mit dem Problem umgehen zu wollen mit dem Interesse, die<br />

eigenen Kriterien des Wahren und des Guten in einem Raum jenseits des Zugriffs<br />

menschlicher Geschichtlichkeit und Relativität, aber diesseits des Zugriffs der<br />

menschlichen, theologisch operierenden Vernunft zu verankern. Das gibt nur<br />

trügerische positionelle Sicherheit, löst das Problem theologischer Wahrheitskriterien<br />

aber nicht.<br />

Mit der Forderung nach objektiven Normen ist für das Kriterienproblem<br />

nichts gewonnen. Im Blick auf die theologische Ethik zumindest hat Wolfgang<br />

Maaser 34 überzeugend nachgewiesen, dass es keine Norm ohne Beschreibung<br />

geben kann, dass also die Kontextanalyse für die Normativität der ethischen<br />

Aussage unverzichtbar ist. Dasselbe behaupte ich in der vorliegenden Studie auch<br />

über dogmatische Aussagen. Der erste Beweis dafür ist die wechselvolle <strong>Theologie</strong>geschichte<br />

selbst. 35 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Normen überhaupt<br />

ein geeignetes Mittel sind, um verantwortliche Handlungsorientierungen zu gewinnen.<br />

Vielleicht sollte man besser nach Regeln fragen und Reziprozität berücksichtigen.<br />

Es müsste auch klar sein, dass Kriterien in Konfliktfällen oder jedenfalls in<br />

ungewohnten Situationen relevant werden. Und in solchen Fällen kommt es auf<br />

Kenntnis der Sachlage und der involvierten Standpunkte an. Theologische Reflexion<br />

sollte also in der Lage sein, die Standpunkte von ihren Kontexten her zu<br />

verstehen. Das heißt auch, theologischen Diskurs als <strong>Praxis</strong>form verstehen zu<br />

können und gesellschaftliche <strong>Praxis</strong> als sinnrelevant für den Diskurs.<br />

Stackhouse selbst gibt einen wichtigen Hinweis für die Validität dessen, was<br />

wir von Gott sagen (können): Es muss der Situation der verantwortlichen und<br />

verantwortbaren Predigt standhalten. (Stackhouse: Apologia 9) Das heißt aber<br />

33 Vgl. Herms: <strong>Theologie</strong> 49, der sogar metaphysische Begriffe für erfahrungsabhängig<br />

falsifizierbar hält.<br />

34 Vgl. Maaser: Identität, und oben, den Exkurs zu Walter Künneth.<br />

35 Vgl. für die Christologie etwa Ohlig: Fundamentalchristologie.<br />

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