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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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des Feldes im Blick auf die Handlungsrichtung entsprechen. Das muss<br />

keine reflektierten Wahlen einschließen, wohl aber die Beherrschung der<br />

Logik des Feldes. Ebenso musiziert ein Jazzmusiker strategisch im Rahmen<br />

eines Themas, wenn er Improvisationen hervorbringt, die das Thema<br />

oft sehr weitgehend variieren, ohne es jedoch zu verlassen. Die subjektiven<br />

Variationen sind orientiert, begrenzt und überhaupt erst ermöglicht durch<br />

die Beherrschung der in Fleisch und Blut übergegangenen Dispositionen<br />

der praktischen Logik. Strategien sind somit objektiv angepasst. Sie nehmen<br />

an Virtuosität nicht dadurch zu, dass ein rationales Subjekt möglichst<br />

viel bewusstes Nachdenken in das Pläneschmieden investiert, sondern<br />

dadurch, dass ein Akteur die Logik eines Feldes vollkommen selbstverständlich<br />

– in schlafwandlerischer Sicherheit – beherrscht. Umso selbstverständlicher<br />

(also ohne bewusste Anstrengung) Akteure eine bestimmte<br />

praktische Logik inkorporiert haben, umso wirkungsvoller können sie die<br />

Möglichkeiten der eigenen Dispositionen ausschöpfen und die Verhaltenserwartungen<br />

Anderer antizipieren. Auf diese Weise wirkt der Habitus als<br />

ein durch die <strong>Praxis</strong> geregeltes Regelungsprinzip der Praktiken, welches mit<br />

seinen Dispositionen das Repertoire der für die Meisterung bestimmter<br />

Anforderungen notwendigen Wahrnehmungs-, Urteils- und Verhaltensweisen<br />

hervorbringt. Damit gibt er die Neigung zu bestimmten und die<br />

Abneigung gegen andere Strategien vor. Darauf (aber erst darauf) kann<br />

sich die bewusste Reflexion für den Entwurf von Handlungsweisen beziehen.<br />

Auf der anderen Seite begrenzt der Habitus die Möglichkeiten der<br />

Strategiebildung. Dies einfach deshalb, weil ein begrenztes Repertoire nicht<br />

alle Möglichkeiten bedenken kann. Andere Gruppen, Kulturen, Kirchen<br />

haben andere Möglichkeiten und entwickeln deshalb möglicherweise<br />

andere Strategien. Ist es zum Beispiel für einen mittelständischen Methodisten<br />

normal, bei Krankheit den Arzt aufzusuchen, so ist die Strategie<br />

eines armen Pfingstlers eher die, zu fasten und zu beten. Bei Konflikten<br />

neigen Mitglieder nordeuropäischer Kulturen möglicherweise eher dazu,<br />

sie offen, konfrontativ und heftig auszutragen; die meisten konfuzianisch<br />

geprägten Asiaten suchen vielleicht eher die Entscheidung einer Autorität,<br />

wenn sie die Existenz von Konflikten überhaupt eingestehen. Dies beinhaltet<br />

keineswegs eine Wertung a priori. Je nach Kultur – das heißt nach<br />

objektiven und inkorporierten, dauerhaft wirksamen gesellschaftlichen<br />

Praxen – können sich sehr unterschiedliche kollektive Strategien herausbilden,<br />

um das eine Ziel zu erreichen, einigermaßen miteinander auszukommen.<br />

Und alle diese Strategien sind vor allem implizit angelegte –<br />

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