02.12.2012 Aufrufe

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

4. Christologie und Pneumatologie<br />

Es spricht Vieles für die Vermutung, dass der in der Einleitung erwähnte<br />

Relevanzverlust von <strong>Theologie</strong> und Kirche im klassischen Protestantismus<br />

mit einer einseitigen Fokussierung der Christologie zusammenhängt, die<br />

wichtigen Fragestellungen einer pluralistischen Gesellschaft im Umbruch<br />

nicht mehr gerecht wird. Das Verebben des christozentrisch universalistischen<br />

Paradigmas in der Ökumene (Raiser: Übergang) ist nur ein Indiz für<br />

diese Diagnose.<br />

Hohe Zeit des christozentrischen Universalismus war die erste Hälfte<br />

des zwanzigsten Jahrhunderts. In der Dialektischen <strong>Theologie</strong> (oben, S.<br />

95) war die Christologie der Ausgangspunkt, um den emphatischen Bruch<br />

mit dem Kulturprotestantismus zu vollziehen und die <strong>Theologie</strong> „zwischen<br />

den Zeiten“ zu positionieren. Im Dritten Reich hat diese <strong>Theologie</strong> Früchte<br />

getragen, indem sie aus christologischer Argumentation heraus dem<br />

Nationalsozialismus widerstehen konnte. Dem totalitären Regime wurde<br />

„Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben“ (Barmen II) entgegengesetzt.<br />

Man antwortete also kontextuell theologisch und sehr treffend.<br />

Eine Bedingung dafür war, dass die Kirche als Institution in<br />

Deutschland eine große Bedeutung innehatte und das Christentum über<br />

das religiöse Deutungsmonopol verfügte, auch wenn die Bekennende<br />

Kirche im Dritten Reich verfolgt wurde. In der ersten Zeit des Ökumenischen<br />

Rates nach 1948 setzte sich der christozentrische Universalismus<br />

jener Periode in den Missions- und Weltveränderungskonzepten der Ökumene<br />

fort.<br />

In diesem gesamten Denkmodell ist, mindestens implizit, die christologische<br />

Konzentration der <strong>Theologie</strong> stark mit einem Geltungs- und<br />

Führungsanspruch der christlichen Kirche verbunden. In einer pluralen<br />

Welt und – mehr noch – in einer pluralistischen Gesellschaft verpufft ein<br />

solcher harter Anspruch gleichsam in der Watte weltanschaulicher Indifferenz,<br />

religiöser Alternativen und demokratischer Verfassung. In Zeiten der<br />

Blockkonfrontation konnten sich christozentrisch orientierte Kreise noch<br />

als Alternative zum „atheistischen Kommunismus“ aufbauen. Doch selbst<br />

diese Haltung hat seit 1989 ihren Halt in den weltgesellschaftlichen Realitäten<br />

verloren. Der gesellschaftliche Aussagezusammenhang der Christologie<br />

hat sich vielmehr umgekehrt. Angesichts multireligiös zusammengesetzter<br />

Gesellschaften, religiös unterlegter gesellschaftlicher und internationaler<br />

Konflikte sowie multikulturell zusammengesetzter internationaler Quasi-<br />

„Verfassungsorgane“ (wie den Vereinten Nationen) läuft eine christozen-<br />

234

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!