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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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– soteriologische Sinnsysteme in den Blick. Zunächst erretten sie ganz<br />

simpel die jeweiligen Akteure aus Legitimationszwängen und aus Wahrnehmungs-<br />

bzw. Klassifikationskrisen. Sie haben ihren Sinn darin, dass sie<br />

menschlicher Erfahrung und deren Unwägbarkeiten entsprechen; nicht<br />

darin, dass sie jenseitige Realitäten abbilden – wobei das religiöse Postulat,<br />

jenseitige Realitäten auszudrücken, natürlich Voraussetzung für religiöse<br />

Erfahrungsrelevanz ist.<br />

„Als menschliche Einrichtung beginnt die Religion nirgends“ (Durkheim:<br />

Formen 26), denn sie entsteht im Kontinuum menschlicher Erfahrung.<br />

Stark zugespitzt könnte man Religion als interpretierte Erfahrung bezeichnen.<br />

Religiöse Erfahrung ist „Erfahrung als“ (Hick nach Wittgenstein).<br />

Sie liegt eben nicht in nuce als religiöse Erfahrung vor. Vielmehr<br />

werden verschiedenste Widerfahrnisse auf der Grundlage von gesellschaftlich<br />

entstandenen religiösen Dispositionen gedeutet. Religion ist mithin<br />

Produkt kollektiver Sozialisation. Peter Antes erklärt dem entsprechend<br />

religiöse Visionen so, dass Lichtempfindungen vermittels der interpretierenden<br />

Funktionen von „Deutungsmustern“ so gestaltet werden, dass „am<br />

Ende die Erscheinung die Form der Ikone annimmt, die dem Vorwissen<br />

des Erlebenden entspricht“ (Antes: Erziehung 99). Dies sei um so plausibler,<br />

als die Visionäre in den Erscheinungen immer nur bereits bekannte<br />

Gestalten wahrnehmen. „Mir ist kein einziger Fall aus der Fülle des religionsgeschichtlichen<br />

Materials über Visionen bekannt, wo irgendjemand<br />

einem bis dahin völlig unbekannten Wesen begegnet wäre und davon dann<br />

Zeugnis abgelegt hätte. Dies gilt auch für das so genannte Damaskuserlebnis<br />

des Paulus, der auf dem Weg nach Damaskus Jesus in einer Lichtvision<br />

erkennt (Apostelgeschichte 9, 1 ff.) und nicht etwa die buddhistische<br />

Bodhisattva-Gestalt Avalokitesvara ..., von der er noch nie im Leben<br />

etwas gehört hatte.“ (Antes: Erziehung 99 f.) In diesem Zusammenhang ist<br />

auch das Ergebnis einer religionssoziologischen Untersuchung zu so<br />

genannten Nahtod-Erfahrungen in der ehemaligen DDR interessant. Die<br />

Betroffenen sahen sich nicht, wie ihre westdeutschen Leidensgenossen,<br />

religiösen Phänomenen gegenüber, sondern erlebten<br />

naturwissenschaftlich-technische science-fiction Szenarien. (Schmied: Grenze)<br />

Beim „Sehen als“ – und es gibt kein anderes Sehen, Hören, Riechen oder<br />

Fühlen – liegen Wahrnehmungsdispositionen orientierend und begrenzend<br />

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