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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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und Begrenzungen menschlicher <strong>Praxis</strong> in konkreten Bedingungen. Praktische<br />

Schlüssigkeit kann in streng logischer Hinsicht also durchaus auch<br />

unschlüssig sein. In diesem Sinne bringt die praktische Logik bei neuen<br />

Anforderungen schon aus wenigen Schemata mehr oder weniger geregelte<br />

Improvisationen hervor, mit denen sie ihre eigenen Regeln durchbrechen und<br />

ihre Möglichkeiten erweitern kann.<br />

Eine solche Improvisation aus wenigen Schemata mit den Mitteln der<br />

kreativen Unbestimmtheit findet sich im Beispiel der Predigt: Der Prediger<br />

ersetzt zwar die Grundunterscheidung 126 und ändert damit die bedeutungsbildenden<br />

Relationen im Zeichensystem, das der Predigt implizit ist. Aber<br />

im Diskurs verfährt er keineswegs konsequent und vollkommen schlüssig.<br />

Damit bleiben „logische Lücken“, die bei einer strengen Systematik im<br />

analytischen Modell als Brüche und Unstimmigkeiten sichtbar werden.<br />

Statt vollkommen konsequent zu verfahren, lässt der Prediger nebenbei<br />

und mit weniger Nachdruck zugleich einen zweiten – der Grunddifferenz<br />

entgegengesetzten – Unterschied mitlaufen. Dazu verwendet er Entgegensetzungen<br />

wie, beispielsweise, die von Leuten, welche Glasfenster haben,<br />

und solchen, die sich derartigen Luxus nicht leisten können. Im Hintergrund<br />

der Unterscheidung „Christen versus Nichtchristen“ läuft also die<br />

Differenz von „Kirche/arm“ versus „Nicht-Kirche/reich“ mit. Aus diesem<br />

Bezug resultiert für die praktische Logik des Predigers und der Gemeinde:<br />

Diese Gemeinde ist wahre Kirche und zugleich Kirche der Armen.<br />

Draußen, woanders ist nicht wahre Kirche. Und in jenem nur mittelbar<br />

qualifizierten und vage definierten Raum des Draußen befinden sich auch<br />

die Reichen; sie werden also verdammt werden. Auf diese Weise wird in<br />

dieser Predigt aus dem mitlaufenden Widerspruch für den unmittelbaren<br />

Handlungszusammenhang eine heilsbewusste Kirche der Armen konstruiert.<br />

Entscheidend für den Sinn der Predigt ist der Kontext, in dem sie<br />

unmittelbar relevant werden kann. Die religiöse Generalisierung in der<br />

allgemeinen Unterscheidung von „Christen versus Nichtchristen“ erhöht<br />

lediglich das unmittelbare Gewicht der Aussagen des Predigers; faktische<br />

Universalität ist gar nicht angestrebt. Das heißt auch, dass es dem Prediger<br />

und der Gemeinde gleichgültig sein kann, ob das theologische Urteil in der<br />

Predigt logisch so schlüssig und zu verallgemeinern ist, dass es auch einer<br />

Generalisierung auf fremde Kontexte standhielte. Für Gemeinde und<br />

Prediger ist entscheidend, was man sagen kann und was nicht in einem<br />

126 ...oder, mit Greimas gesprochen, die Isotopie des Textes.<br />

164

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