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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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zubeziehen. Es bedarf also keines eigenen Instrumentariums, um neben<br />

der „Struktur“ auch den „Wandel“, neben dem „System“ auch den „Prozess“<br />

zu beschreiben.<br />

Kontextuelle <strong>Theologie</strong> gewinnt ihre Themen nicht zuletzt aus konfliktivem<br />

Wandel – ganz ähnlich wie die dialektische <strong>Theologie</strong> ihr Grundthema<br />

„Bruch“ aus dem gesellschaftlichen Zusammenbruch 1918 und der<br />

Opposition der Theologen gegen Kaiserreich und Kulturprotestantismus<br />

gewonnen hat. Gesellschaftliche Konflikte führen nicht selten dazu, dass<br />

ein gesellschaftliches <strong>Praxis</strong>feld (etwa die Politik) bestimmten Akteuren<br />

keine Möglichkeiten zum Handeln mehr offen lässt. Diese stellen dann um<br />

auf ein anderes Feld (wie etwa das religiöse Feld). Hier tragen sie dann mit<br />

anderen Mitteln und durchaus auch mit neuen Zielen den gesellschaftlichen<br />

Konflikt weiter aus. In diesem Rahmen praktischer Umstellung von<br />

Feld und Strategien spielt die Transformation der kognitiven und affektiven<br />

Dispositionen eine wichtige Rolle und sollte aus der Perspektive<br />

kontextueller <strong>Theologie</strong> berücksichtigt werden.<br />

Wenn sich Erfahrungen einstellen, welche eine habitualisierte Struktur<br />

nicht zu verarbeiten vermag, wandelt sich der Habitus (wenn auch langsam).<br />

Dadurch wird die Wahrnehmung und Beurteilung der Welt umstrukturiert.<br />

Zugleich, und umgekehrt, kreieren auch Prozesse der Umgruppierung<br />

von Elementen des kognitiven Netzes neue Dispositionen der<br />

Wahrnehmung, des Urteils und des Handelns und damit neue Praktiken.<br />

Die generativen Prozesse des Habitus sind zwar strukturiert von den<br />

gesellschaftlichen Verhältnissen, aber nicht determiniert; Verarbeitung von<br />

Erfahrung unterliegt durchaus der transformierenden mentalen Tätigkeit.<br />

Hier kann <strong>Theologie</strong> als Reflexion und Diskurs wichtige Orientierungen<br />

einbringen und kreativ eingreifen.<br />

Bei einer kreativen Transformation von Erfahrungen in <strong>Theologie</strong><br />

sind Schrift und Tradition wichtig. Sie fungieren als generative Elemente, die<br />

Unerwartetes zur Sprache bringen und die habitualisierte Strukturen somit<br />

aufbrechen, umwandeln und, unter Umständen, radikal neu organisieren<br />

können. In diesem Sinne kann kontextuelle <strong>Theologie</strong> Neues hervorbringen,<br />

und zwar Neues als die unwahrscheinlichste Re-Kombination von<br />

bereits Vorhandenem. Damit kann sich durch sie – im strengen Sinne –<br />

Offenbarung ereignen. Offenbarung wird erfahren als unterbrechende,<br />

überraschende und Sinn erschließende Neu-Beschreibung Gottes, der Welt<br />

und der Erfahrenden selbst. Ohne ihren konkreten Kontext kann es Offenbarung<br />

nicht geben, ebensowenig wie Konversion ohne ein Leben<br />

vorher. Kontextuelle <strong>Theologie</strong> kann also durch ihr Zeugnis von der<br />

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